Mo., 21.08.17 | 04:50 Uhr
Das Erste
Angola: Gibt es Hoffnung auf Wandel nach den Wahlen?
Das Ärzteteam hilft jenen, die sonst von niemandem Hilfe bekommen: hier, in einer schäbigen Ecke der Strandpromenade von Luanda, haben obdachlose Jugendliche ihr Nachtlager aufgeschlagen. Sie haben ihre Eltern verloren oder sind von Zuhause weggerannt. Der Arzt Fortuna Da Costa der Einzige, der sich um sie kümmert. Er arbeitet für eine Hilfsorganisation, die von der EU und der katholischen Kirche finanziert wird – Unterstützung vom angolanischen Staat gibt es keine. "Wir behandeln die Kinder dort, wo sie leben", sagt der Arzt. "Und es hat sich gezeigt: Wenn wir uns nicht um sie kümmern, dann haben sie niemanden."
Tage der Ungewissheit
Viele der Straßenkinder hier sind krank. Der 16-jährige Nelson hatte Tuberkulose, ohne Doktor Da Costas Hilfe hätte er wohl nicht überlebt. Seit drei Jahren lebt er auf der Straße, seine Mutter ist Alkoholikerin. "Ich habe mich entschieden, hier zu leben", sagt Nelson. "Denn jedesmal, wenn ich nach Hause gehe, schlägt mich meine Mutter. Das ertrage ich nicht – also renne ich immer wieder weg." Es ist nach Mitternacht, als der Arzt die Jungs notdürftig versorgt hat. Vor den Kindern liegt ein neuer Tag der Ungewissheit.
17 Euro für einen Hamburger
Bau-Boom und teure Autos – hier wo in Luanda das große Geld ist, versuchen am nächsten Morgen Nelson und seine Freunde ein paar Münzen Kleingeld zu verdienen. Sie bieten ihre Hilfe beim Einparken an – doch fast niemand hält heute an. Und wenn doch – dann springt nicht jedes Mal Geld dabei heraus. In diesem Teil Luandas ist das Leben teuer. Die Preise in den Restaurants: selbst für Europäer schwer zu verdauen. 17 Euro für einen Hamburger. "In diesem Restaurant hier habe ich natürlich noch nie gegessen", sagt Nelson. "Aber einmal kam ein Mann vorbei, der brachte mir Essen von dort mit. Ich selbst könnte mir das niemals leisten."
Ort der Extreme
Schrecklich arm und zugleich teuerste Stadt der Welt – Luanda ist ein Ort der Extreme. Ein Hotelzimmer kostet im Schnitt 400 Euro pro Nacht, ein Apartment 6000 Euro pro Monat. Die Nachfrage ist größer als das Angebot, und internationale Geschäftsleute bezahlen offenbar jeden Preis. Vor allem mit Öl wird hier Geld gemacht – doch davon profitieren meist ausländische Konzerne und die angolanische Elite. Gleichzeitig fehlt es in vielen Krankenhäusern an den nötigsten Medikamenten, Angola ist das Land mit der weltweit höchsten Kindersterblichkeit. Doch wir dürfen nur dort drehen wo alles perfekt erscheint. Das zuständige Ministerium präsentiert uns ein Vorzeige-Projekt: eine moderne Kinderstation, die vom Staat und von internationalen Öl-Konzernen finanziert wird. Eine Ausnahme, denn die meisten Angolaner haben keinen Zugang zu Medikamenten und leben in großer Armut. Für sie hat sich seit dem Bürgerkrieg nicht viel verändert, obwohl der schon seit 15 Jahren vorbei ist.
Staatliche Unterstützung? Fehlanzeige
Diese Kinder haben Glück gehabt: Im Heim bekommen sie Essen, hier leben sie und gehen zur Schule. Sie alle sind ehemalige Straßenkinder oder Waisen. Manche wurden schlicht von ihren Eltern ausgesetzt, weil die zu arm sind, um sie zu ernähren. "Die Kinder haben gerade Pause", sagt Frank Cassule, der das Heim gegründet hat und uns die Schlafräume zeigt. 82 Kinder versorgt er mit Spenden, die er eintreibt, und mit seinem privaten Vermögen. Die Mädchen erzählen uns, dass sie einmal Ingenieurin werden wollen – und dank Franks privatem Engagement stehen ihre Chancen gar nicht so schlecht. Staatliche Unterstützung? Auch hier Fehlanzeige. "Bisher haben wir von der Regierung nichts bekommen", erklärt Frank. "Warum weiß ich nicht. Vielleicht wissen sie irgendwann einmal doch noch zu schätzen, was wir hier tun. Bis dahin werden meine Familie und ich uns alleine um die Kinder kümmern müssen."
"Das Geld versickert irgendwo"
Franks Tochter Iracelma ist eine der Lehrerinnen hier, alle anderen und das Küchenpersonal kosten pro Monat 15.000 Dollar. Eine Riesensumme für ein Heim, hinter dem kein dauerhafter Investor steht und das auch auf den angolanischen Staat nicht hoffen kann. "Alle sagen immer: Angola ist doch reich mit all seinen Mineralien und Bodenschätzen", sagt Iracelma. "Aber in unserem Land geht es nicht voran. Das Geld versickert irgendwo und die Bevölkerung bekommt es nicht zu sehen."
Es ist Abend geworden. Die Straßenkinder von der Strandpromenade gehen schlafen. Von den Wahlen kommende Woche erwartet sich Nelson nicht viel. Wählen darf er ohnehin noch nicht – und eigentlich will er nur eines: zurückkehren in ein friedliches Zuhause.
Autor: Thomas Denzel, ARD Südliches Afrika
Stand: 20.07.2019 14:05 Uhr
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