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Russland: Revolution nur im Fernsehen – Frauen an vorderster Front

Russland: Revolution nur im Fernsehen – Frauen an vorderster Front | Bild: BR

Die Kommunistische Partei von Dedowitschi gedenkt der Gefallenen des Zweiten Weltkriegs – jedes Jahr. Sie sind nur ein kleines Trüppchen, aber für Tatjana vom "Studio Alfa" ist es ein großes Thema. Nicht nur die Kommunisten, ganz Dedowitschi feiert den Tag seiner Befreiung. Das hier war Partisanengebiet, sagen sie stolz. Der Bürgermeister verteilt Blumen und Medaillen an die alten Damen, die den Krieg noch als Kinder erlebt haben.

Eigenes Fernsehen

Dedowitschi ist eine "Siedlung städtischen Typs", so nennt man das hier. 9000 Einwohner, wenig Arbeitsplätze, viel zu wenig Geld, aber ein eigenes Fernsehen, auch wenn das gerade sehr um sein Überleben kämpft.
Schnell noch den Vorhang gerichtet – los geht’s. Ein Drei-Frauen-Sender sind sie: Schwiegertochter, Mutter, Tochter. Und wer braucht schon einen Teleprompter?

Früher hatte Studio Alfa mehr Mitarbeiter, sendete jeden Freitag im Regionalfernsehen, bekam Geld von der Gemeinde. Als das eingespart wurde, kündigten die Männer. Walentina blieb, ohne Gehalt.
Studio Alfa sendet jetzt im Internet, auf YouTube mit Logo der Kommunistischen Partei. Dafür zahlt die ihnen ein bisschen Geld. Die Frauen finden das gar nicht schlimm. Dafür gehörten doch alle anderen Medien der Regierungspartei, sagen sie.

Heiße Eisen als Themen

Ihre Themen sind oft heiße Eisen wie die neueste Reportage über das völlig heruntergekommene Nachbardorf Gorodowik: Hundert Menschen leben dort in feuchten Häusern, kaum geheizt. Zuständig ist die Regionalverwaltung in Dedowitschi.
Walentina spricht mit den Leuten, ihr Film ist voller Kritik. Keiner, heißt es da, kümmert sich um diese Menschen. "Unserem Bürgermeister gefallen solche Filme gar nicht", erzählt Walentina. Redaktionssitzung in der Küche: Hier schneiden sie auch ihre Berichte. Walentina macht seit 19 Jahren Fernsehen, anfangs sogar im Auftrag der Gemeinde.

Walentina auf dem Weg zum nächsten Dreh – der liegt ihr ganz besonders am Herzen. Sie ist nicht zum ersten Mal zu Besuch bei Anshela und ihrer Familie, hat schon oft über sie berichtet. 12 Kinder hat Anshela – vier eigene, acht angenommene. Deren Eltern hat man das Sorgerecht entzogen, wegen Trunksucht. Sie wären sonst ins Heim gekommen, sagt Anshela. Vor fünf Jahren war das.
Anshelas Familie braucht jeden Cent. Da hilft es, dass Walentina immer wieder über sie berichtet.

Das ist Milka – das neueste Mitglied der Familie, sagt Anshela. Die hat ihnen jemand aus St. Petersburg gespendet, nachdem er einen Bericht von Studio Alfa im Internet gesehen hat. Sie hatten im Film erzählt, dass die Kinder so gern Milch trinken. Eine Kuh, das war ihr großer Traum.

Aufmerksame Behörden

Am nächsten Tag hat sich bis in die Bezirksverwaltung herumgesprochen, dass das deutsche Fernsehen die Frauen von Alfa filmt. Ständig klingelt Walentinas Telefon: "Nein nein, es geht nicht um Politik, nichts Politisches. Sie filmen einfach nur uns", sagt Walentina. "Wo ist das Problem?"

Und dann zeichnen sie ihre nächste Sendung auf. Studio Alfa in Dedowitschi: "Einer muss ja über das wahre Leben berichten", sagen sie. "Und wer soll das machen, wenn nicht wir?"

Autorin: Ina Ruck, ARD Moskau

Stand: 08.03.2020 22:57 Uhr

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Bayerischer Rundfunk
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