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Libyen: Hoffnung auf Demokratie und Frieden

Libyen: Hoffnung auf Demokratie und Frieden | Bild: NDR

Es ist ein Marathon für Abdelhadi Bukra. Seit Monaten schon zieht der 29 Jahre alte Betriebswirt durch Souq-Aljumaa, wirbt mit seinen Mitstreitern für den Neuanfang, ein neues Libyen. Nicht immer stößt das auf Begeisterung. Sie aber halten Kurs. Zwölf politische Quereinsteiger kämpfen in dem Viertel von Tripolis um die Macht im Rathaus bei den Kommunalwahlen im April. Sie sind jung, gut ausgebildet, unabhängig – wie sie beteuern. Und erleben dennoch durchaus Gegenwind. "Einige lehnen uns komplett ab. Sie kommen aus ganz anderen sozialen Verhältnissen. Sie werfen uns vor nicht richtig verhandeln zu können, kritisieren, dass wir zu jung sind. Gerade die alteingesessenen Kräfte, die Milizen, trauen uns nicht über den Weg", erzählt Abdelhadi Bukra.

Souq-Aljumaa ist ein konservatives Pflaster. Religion und Tradition zählen viel, alteingessener Mittelstand, auch viele ärmere Familien, die über die Kriegsjahre abgestiegen sind. Abdelhadi und seine Freunde wollen die Macht der alten Eliten und Clans stutzen, das Viertel modernisieren, jungen Menschen neue Chancen eröffnen. Bei denen rennen sie offene Türen ein.  

Die Zeit ist reif für die Wende: Wandel ist spürbar

Maurer an einem eingerüsteten Haus.
Aufbruchsstimmung in der Altstadt von Tripolis. | Bild: NDR

Libyen steht am Scheideweg. Zehn Jahre Krieg, Herrschaft der Milizen, Spaltung haben tiefe Spuren hinterlassen. Die Wirtschaft liegt am Boden. Die Währung ist abgesackt. Es gibt kaum Jobs. Die Infrastruktur marode. In der Altstadt von Tripolis ist der Verfall allgegenwärtig. Hadia Gana von der Verwaltung Altstadt Trioplis soll ihr jetzt aber zu neuem Glanz verhelfen. 1,5 Millionen Euro stellt die Regierung dafür zur Verfügung. Fast nichts für eine Herkulesaufgabe. Schätze aus der Zeit der Römer, Osmanen, der italienischen Kolonialherren sind über Jahrzehnte zerbröselt, unter Plastikmüll begraben. Jetzt sei die Zeit reif für die Wende, wie sie glaubt: "Eine Gesellschaft, die über eine so lange Zeit traumatisiert wurde, neigt dazu, die Vergangenheit zu verdrängen. Dabei ist es so wichtig, die eigenen Wurzeln zu kennen, die verschiedenen Kulturen zu verstehen, von denen wir kommen. All das ist hier zu spüren. Wenn Sie in die Altstadt kommen, braucht man eigentlich nichts mehr zu erklären."
Noch überschwemmt Abwasser die Gassen regelmäßig. Fäkaliengestank liegt über dem Viertel. Stromausfälle sind an der Tagesordnung. Jetzt aber tut sich was. Neue Rohre werden verlegt. Die Gassen neu gepflastert. Auch das sorgt für Aufbruchsstimmung in der Altstadt. 

Der Wandel ist spürbar, auch in der Altstadt. Historische Gebäude werden runderneuert. Mit kleinen Budgets und viel Improvisation. Baustellen in vielen Gassen und Ecken. Hadia Gana will, dass die Libyer wieder stolz auf ihre Altstadt sind, irgenwann auch wieder Touristen aus aller Welt hierherkommen: "Mein Traum ist es, dass ich mir hier spontan überlegen kann, ob ich den einen Tag in eine Kunstausstellung gehe, den anderen in ein Café, dann auf eine Dachterrasse oder auch segeln gehen. Es gibt hier ja sogar einen Yachthafen."

Junge Frauen wollen mitgestalten

Eine Frau lächelt in die Kamera
Sama Albhuéshi will nicht nicht weniger als einen Teil der Macht.  | Bild: NDR

Auch sie machen Dampf: Die Frauen im Team der Politikneulinge aus Souq-Aljumaa. Sama Albhuéshi will nicht nicht weniger als einen Teil der Macht. Und spürt Rückenwind von der neuen Einheitsregierung mit immerhin zwei Ministerinnen. Ihre männlichen Mitstreiter untertützen sie dabei. Gemeinsam planen sie das Programm für die nächsten Tage. Radiointerviews, Kampagnen, Plakatekleben. Gut 5.000 Euro haben sie für den Wahlkampf aus eigenen Mitteln zusammengekratzt. Geld von Clans und Milizen abgelehnt. "Die Menschen wollen keine Milizen mehr sehen, keinen Krieg, keine Soldaten. Sie wollen ein besseres Leben und das ist eben nur möglich, wenn eine neue Generation übernimmt, unverbrauchte Leute, Gesichter, jung und natürlich Frauen", sagt Sama Albhueshi.

Im Straßenwahlkampf allerdings hält sich Sama im Hintergrund. Auf den Plakaten taucht sie gar nicht erst auf. Schwierig für die 26 Jahre alte Ingenieurin, aber sie will die Menschen im Viertel nicht überfordern: "Die Leute sollten uns Frauen eigentlich akzeptieren, aber sie tun es nicht. Sie glauben, wenn eine Frau arbeiten will, sollte sie nicht in den Medien auftreten, kein Star, keine Politikerin sein. Aber ich hoffe, dass sich das in den nächsten fünf Jahren ändert." 

Sie träumen vom Neustart im Rathaus von Souq-Aljumaa. Noch zwei Wochen sind es bis zur Wahl. Im Endspurt wollen sie es allen noch einmal zeigen. Und wenn es gut geht, auch bei den nationalen Parlamentswahlen im Dezember antreten. Für ein neues, ein besseres Libyen.  

Autor: Daniel Hechler, ARD Studio Kairo

Stand: 21.03.2021 20:33 Uhr

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