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Honduras: Private Stadt für Reiche

Honduras: Private Stadt für Reiche | Bild: SWR

Honduras leidet unter einer der höchsten Kriminalitätsraten der Welt. Ausgerechnet hier baut ein Investor, der US-Venezolaner Eric Brimenc, eine private Stadt. "Prospera", also "Wohlstand", heißt das heftig umstrittene Projekt. Und zwei weitere Privatstädte sollen allein in Honduras noch folgen. Die vermögenden neuen Bürger und Investoren wollen nach eigenen Regeln spielen, mit niedrigen Steuern und eigenen Gesetzen. Die Einheimischen auf der Insel Roatán dagegen fürchten, ihre Heimat zu verlieren, wenn die Reichen-Hochburg "Prospera" erfolgreich sein sollte – und sich vergrößern will.

Eine Stadt für Investoren – wenig Steuern, keine Politiker

Die Insel Roatán. Ein Palmenparadies, atemberaubend schön – und Schauplatz eines Experiments. Der Weg dorthin führt über Schotter. "Wir glauben an Privat-Eigentum", steht da am Eingang. Hier wächst eine Investoren-Stadt in einer Sonderverwaltungszone "Zona de empleo y desarrollo económico", kurz ZEDE. "Próspera" (Wohlstand) heißt sie. Erick Pitsikalis ist stolz, das höchste Gebäude der Insel zu bauen. 14 Stockwerke – auf Roatán seien sonst nur acht erlaubt. "Vom Büro siehst du das Meer." Hier gelten andere Regeln. Traumhaft – sagt Pitsikalis. Er baue schneller, billiger und effizienter als sonst. "Für uns honduranische Geschäftsleute bringt Próspera viele Möglichkeiten, Arbeitsplätze zu schaffen. Es ist ein sicherer Ort, wo wir leben, uns entwickeln können."

Werbeplakat für Häuser
Auf der Karibikinsel Roatán entsteht die Privatstadt Próspera | Bild: SWR

Honduras, die Armut, die Korruption, all das soll draußen bleiben. Die honduranische Flagge hissen sie zwar, der Staat hat aber faktisch nichts zu melden. Sie bauen an einer Utopie, die einmal so aussehen soll. Maximal anziehend, für Investoren. Kaum Steuern. Keine Politiker. Ein Rat aus Unternehmern, nur teils, gewählt schreibt hier die Regeln. Kritiker fürchten um die Demokratie. Der Próspera-Anwalt schwärmt dagegen von der perfekten Stadt. "Das ist schon noch Honduras", sagt Ricardo Gonzalez. "Aber wir haben von der Regierung per Gesetz die Erlaubnis erhalten, das Territorium zu verwalten. Wir haben also die Freiheit, Regeln aufzustellen, die vorteilhaft sind."

Die neue Regierung will das Projekt stoppen

Fragt sich nur: für wen? IHRE Vision ist in der Hauptstadt SEIN Albtraum. In Tegucigalpa durchforstet Fernando Garcia tausende Seiten Gesetzes-Text. Er soll Próspera stoppen, im Auftrag der neuen Regierung. 2013 hätten korrupte Politiker der Privat-Stadt den Weg geebnet. Garcia hält das Gesetz für klar verfassungswidrig. "Das bedeutet die Schaffung eines Staates im Staat. Sie wollen totale Autonomie, ihre eigene Gerichtsbarkeit, ihre eigene Exekutive, ihr eigenes Bildungs- und Gesundheitssystem, Polizei, System für Stadt-Entwicklung."

Zu sehen ist bisher wenig. Nur ein paar Angestellte in der Küche und auf dem Bau. Derzeit wohnt niemand hier, doch 130 Unternehmen seien registriert: Technik-Firmen, Fonds und auch eine Bank. Niedrige Steuern locken, flexible Regeln, der Bitcoin. Noch wirkt das alles wie ein verrückter Plan. Der Kopf des Ganzen, Erick Brimen, ein US-Venezolaner gibt uns eines seiner seltenen Interviews. Er sei nicht radikal-liberal, bastle auch keine Steuer-Oase. "Unsere Mission ist Wohlstand zu schaffen, wo er am meisten gebraucht wird. Wir wollen nicht die Schweiz und Deutschland reicher machen. Honduras ganze Wirtschaft soll profitieren. Die Vorteile sind nicht auf Próspera begrenzt, sondern nützen dem ganzen Land."

Haus im Rohbau
Versprochen werden Jobs und Profite  | Bild: SWR

Die Privatstadt solle Katalysator sein: Jobs schaffen, Profit abwerfen: Und ja, sie könne expandieren. Mehr Orte könnten sich ihr freiwillig anschließen, betont Brimen. Im Dörfchen nebenan geht nun die Angst um. In Crawfish Rock leben sie bisher bescheiden, vom Fischfang. Gemeinde-Präsidentin Luisa Connor ist sicher, dass sie vertrieben werden, wenn ausländische Investoren das Sagen haben. "Die werden wachsen wie ein Krebsgeschwür. Ich habe Angst vor Enteignung. Wir sind die Nachbargemeinde. Wir werden die Ersten sein, die das wenige verlieren, was wir haben." Connor glaubt nicht an ein Jobwunder. Próspera suchte bisher billige Arbeitskraft. Sie bekämpft das Projekt, weil es moderner Kolonialismus sei und Erick Brimen dessen Gesicht. "Das sind Eindrücke, Ängste", verteidigt sich Erick Brimen. "Vielleicht sind einige legitim, wegen historischer Sünden, die in der Vergangenheit begangen wurden. Aber diese Ängste haben nichts damit zu tun, was unsere Sonderwirtschaftszone, was Próspera ist."

Ist die Demokratie in Gefahr?

Mann sprüht Protestslogan an Wand
Die Gegner hoffen darauf, dass das Projekt noch scheitert | Bild: SWR

Für SIE ist es der Ausverkauf von Honduras. Protest-Aktion vor dem Kongress. "Nein zur Zede", plakatieren die Aktivisten. Das Parlament soll die Privatstädte verhindern: die entscheidende Abstimmung steht noch an. Christopher sagt: Próspera nutze Probleme aus – und wolle Armut gar nicht ernsthaft bekämpfen. "Próspera konnte doch nur entstehen, weil wir in einer Wirtschaftskrise stecken" sagt Christopher Castillo von der Gemeinde- und Umweltorganisation ARCAH. "Ein Land, dem es gut geht, würde ein solches Projekt nie erlauben."

Wie intransparent Próspera vorgehe, zeigt demonstrativ noch Fernando Garcia. Er fürchtet, dass Radikal-liberale den Staat aushöhlen. Um zu beweisen, dass Demokratie überflüssig sei. "Es war eine Regierung, eine Partei, die das ermöglicht hat und sich den Interessen radikal-liberaler Gruppen untergeordnet hat. Weil diese ein Aushängeschild brauchen für ihr Modell der privaten Unternehmer-Städte."

Wachmann in Uniform
Auch die Polizei soll privatisiert werden | Bild: SWR

Die Chefs von Próspera lassen unbeirrt weiterbauen. Sie haben keine Angst. Und sie bestehen darauf: Alles lief und läuft mit rechten Dingen ab. "Politik kann natürlich ihre Meinung und Richtung ändern", sagt Erick Brimen. "Aber Teil des Systems ist doch, dass man Verträge beachten muss, die wir damals gemacht haben." Notfalls werde man klagen. Bald schon sollen hier Unternehmer und Investoren wohnen. Aus Deutschland will Niklas Anzinger nach Próspera ziehen. Demokratie habe ihre Berechtigung, aber auch Schwächen. "Ich glaube, dass Markt-Prozesse den Vorteil haben, dass sie offener sind für Veränderung", meint der Wagnis-Kapital-Unternehmer. "Dass es einfacher ist, Sachen dadurch zu verändern. Ich glaube aber generell, dass auch demokratische Entscheidungen ihren Platz haben und es gerade sehr wichtig ist als Mechanismus, dass wir keine Diktatur bekommen." Sind Unternehmer bessere Politiker? Oder ist die Demokratie in Gefahr? In der Privatstadt in Honduras wird sich das künftig zeigen.

Autorin: Marie-Kristin Boese, ARD-Studio Mexiko

Stand: 06.02.2023 10:30 Uhr

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