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Bangladesch: Die mutigen Surferinnen von Cox's Bazar

Bangladesch: Die mutigen Surferinnen von Cox's Bazar | Bild: NDR

Wenn sie ihn nur festhalten könnten. Den Moment. Wenn die Welt kurz anhält. Wenn die Welle kommt. Sumi Akter ist 13. Seit sie surft, hat sich ihr Leben geändert: "Es geht mir gut. Seht doch mal. Die Leute kommen und schauen uns zu. So viele Menschen bleiben stehen. Für uns. Ich bin stolz. Bevor ich anfing mit dem Surfen, war ich ängstlich. Aber mit der Zeit habe ich mich geändert."

Mann am  Strand
Dass Frauen surfen, gehört sich nicht – und schon gar nicht in aller Öffentlichkeit. | Bild: NDR

Es läuft nicht alles perfekt auf dem Brett, aber darum geht es gar nicht. Sie brauchen mehr als Wind und gute Wellen. Davon gäbe es hier in Cox's Bazar – im Süden von Bangladesch – genug. Aber: Am Strand schon beginnt eine konservative Welt.  Einige denken: Dass Frauen surfen, gehört sich nicht. "Gut, dass sie sich fit halten. Aber wir sind auch ein islamisches Land. Sie sollten das nicht hier tun. Lieber in einem Swimming Pool, wo keine Männer sind. Und wo sie von Frauen trainiert werden", sagt ein Mann am Strand.

"Niemand kann mich aufhalten"

"Heißt es denn, nur weil wir Mädchen sind, können wir nichts erreichen? Wir werden beweisen, dass die Mädchen in Bangladesch eine Menge drauf haben. Niemand kann mich aufhalten", sagt Sumi Akter selbstbewusst. Die jüngsten Surferinnen sind zwölf, Sumi ist eine Ausnahme. Sie ist die einzige, die zur Schule geht.

Surferin Bangladesch
Suri liebt das Surfen. | Bild: NDR / Gábor Halász

Acht Mädchen trainieren im Surfclub, zahlen müssen sie nichts. Der Club finanziert sich aus Spenden. Shaifullah, der Trainer ist Rettungsschwimmer, wurde am Strand geboren. Als Junge durfte er immer tun, was er wollte. Er sieht nicht ein, warum das für Mädchen anders sein soll: "Wir haben hier so einen langen Strand. Wir könnten Tausende Surfer trainieren. Wenn Mädchen darunter sind, dann ist das gut für unser Land. Mädchen spielen doch auch Cricket und Fußball, jetzt surfen sie."

Noch sind die Mächen am Strand

Surferinnen in Bangladesch
Trockenübungen am Strand. | Bild: NDR / Gábor Halász

Noch zieht es sie jeden Tag zum Strand. Aber: Spätestens wenn die Mädchen 14 sind, stresst die Familie. Dann sollen sie verheiratet werden. Sumi und ihre Freundinnen kommen erst später vom Strand nach Hause. Ihre Familien sind arm und Frauen haben meist nichts zu sagen. Sumis Mutter durfte nicht zur Schule. Sie blieb zu Hause. Ihre Tochter will es anders machen. Das heißt auch, sie muss abends für die Schule lernen. "Ich finde gut, dass sie surfen lernt. Und sie macht das, weil sie es will. Ich habe nichts dagegen. Das einzige was ich ihr sage: Du kannst surfen, aber bitte beende auch deine Schule", sagt Sobe Meheraj, Suris Mutter.

Es scheint alles gut, aber so einfach ist es nicht: Allein im Zimmer erzählt Suri, wie hart sie kämpfen musste für ihren Traum: "Ich habe lange gebraucht, meinen Vater zu überzeugen. Er hatte es mir verboten. Und ich surfte nach der Schule ohne es ihm zu sagen. Einmal erwischte er mich und hat mich dann geschlagen."

"Ich vermisse das Meer so sehr"

Nasima
Nasima hat ihre Freiheit verloren. | Bild: NDR

Auch Nasima blühte auf, wenn sie surfte. Sie ist jetzt 18 und trauert um ihr altes Leben. Dass sie zum Strand darf und das Meer sehen kann, ist eine absolute Ausnahme. Sie kümmert sich jetzt um ihren Sohn und die Nichte. Als sie das Kind bekam, war es mit dem Surfen vorbei. Ihr Mann sperrt sie zu Hause ein. "Ich vermisse das Meer so sehr. Wie schön es ist, wieder hier zu sein. Mir fehlt es so, zu surfen. Jetzt gerade im Moment ist es ganz heftig. Ich würde jetzt am liebsten ins Wasser rennen und loslegen, aber ich kann nicht. Mein Mann hat ein Problem damit. Seine Familie hat ein Problem. Und ich habe ja jetzt ein kleines Kind", sagt Nasima.

Nasimas Gesicht erzählt noch von der Freiheit, die sie verloren hat. Die beiden sagen, sie haben aus Liebe geheiratet. Das fällt schwer zu glauben. "Ich verdiene das Geld. Ich bin für sie verantwortlich. Sie hat keine besondere Rolle. Sie muss kochen, für meine Eltern sorgen, für unser Kind. Wenn sie wieder surfen geht, werde ich sehr böse reagieren, sehr böse", sagt Ehemann Sadek Noor.

Irgendwann läuft sie vielleicht weg

Er droht sie zu schlagen. Es interessiert ihn nicht, dass Nasima vielleicht die beste Surferin in Bangladesch war. Und dann redet sie auf Englisch, damit ihr Mann sie nicht versteht: "Ich mag meinen Mann ja sehr, aber manchmal ist es so schlimm. Ich will so gern wieder surfen gehen, aber er ist nur zufrieden, wenn ich zu Hause bleibe. Manchmal schlägt er mich." Nasima sagt, irgendwann läuft sie vielleicht weg. Aber wie soll das gehen?

Die Surferinnen am Strand wissen, was Nasima passiert ist. Noch träumen sie. Sumi will Ärztin werden, Rettungsschwimmerin und natürlich Surferin. Und vor allem will sie sich nicht aufhalten lassen: "Wenn sie mich zusammenschlagen, dann sollen sie es tun. Ich muss es aushalten, dass sie mich prügeln."

Die Mädchen wissen, dass es schwer wird. Bald werden sie heiraten müssen. Aber: Wenn sie ins Wasser gehen, fühlen sie sich stark – unbesiegbar. Dann scheint alles möglich: "Ich werde so einen Mann einfach nicht heiraten. Ich heirate nur einen Mann, der mir erlaubt, mein eigenes Leben zu leben", sagt Sumi.

Wenn sie diesen Moment doch nur festhalten könnten.

Autor: Gábor Halász, ARD-Studio Neu-Delhi

Stand: 11.07.2019 05:58 Uhr

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