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Thailand: Der vergessene Bürgerkrieg in Myanmar

Thailand: Der vergessene Bürgerkrieg in Myanmar | Bild: picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Aung Shine Oo

Über den Krieg in der Ukraine gerät ein anderer aus dem Blick, der Bürgerkrieg in Myanmar. Vor gut einem Jahr hat sich das Militär in Myanmar an die Macht geputscht. Der langsame Demokratisierungsprozess wurde jäh gestoppt. Doch die Menschen in Myanmar wollen die Militärjunta nicht akzeptieren.

Ich bin auf dem Weg ins Grenzgebiet in den Nordwesten von Thailand. Dorthin, wohin viele Menschen aus Myanmar fliehen – aus Angst vor der Militärdiktatur. Wie meine Kollegin Lar Say. Kurz nach dem Putsch hatte sie noch für uns Interviews in Yangon gemacht. Doch dann wurde ihr Vater verhaftet. Er ist auch Journalist und Dichter, ein Kritiker der Diktatur. Lar Say entschied sich, Myanmar sofort zu verlassen. Gerade wird ihrem Vater der Prozess gemacht. Sie macht sich Sorgen, aber setzt auf seinen starken Willen. "Weil er ein Gedicht geschrieben hatte, war mein Vater in seiner Jugend schon einmal im Gefängnis. Er tut das Richtige, er steht für das Richtige. Das macht mich stolz."

Zehntausende sind bereits vor der Militärjunta geflüchtet

Der Grenzübergang in Mae Sot ist geschlossen. Im Moment ist es für Ausländer fast unmöglich offiziell nach Myanmar einzureisen. Eine Militäjunta, die vor der Welt abschottet ist. Kaum einer kommt noch rein, aber deshalb schaut die Welt auch gar nicht mehr so genau hin, was in Myanmar eigentlich passiert.

Lar Say und Sandra Ratzow im Gespräch.
Wann Lar Say nach Myanmar zurückkehren kann, ist ungewiss. | Bild: NDR

Am Grenzfluss Moei zwischen Myanmar und Thailand: Dort beobachten wir, wie Menschen illegal übersetzen. Nach Schätzungen von Experten sind bereits Zehntausende vor der Militärjunta geflüchtet. Auch Lar Say kam so hierüber. Wann sie zurückkehren kann, ist ungewiss. Mindestens 12.500 Menschen sind seit dem Putsch festgenommen worden. "Manchmal hört man die Luftangriffe der Militärs bis hier rüber. Das ist so traurig", sagt Lar Say. Eine Armee, die gegen das eigene Volk kämpft, zum Teil übrigens mit russischen Waffen. Seit dem Putsch gab es laut UN mindestens 1.600 tote Zivilisten und unzählige abgebrannte Häuser.

Rebellen kämpfen gegen die Militärjunta

Zwei Männer im Interview.
Rebellenkämpfen seit dem Putsch mit Waffen gegen die Junta. | Bild: NDR

Durch Lar Say bekomme ich Kontakt zu zwei Rebellen aus Myanmar. Von einem Ort, den wir nicht zeigen dürfen, holen wir Ko Und Yaung ab. Beide kämpfen seit dem Putsch mit Waffen gegen die Junta. Beim Versuch, Granaten selbst herzustellen, haben sich beide schwer verletzt. Sie sind nur kurz in Thailand, um sich behandeln zu lassen. "Viele unser Freunde sind jetzt bereit, selbst ihr Leben zu geben. Natürlich bin ich manchmal down, weil ich ein Auge verloren habe. Aber das ändert nichts an meiner Haltung", sagt Yaung Htone.

Kho hat früher in einem angesagten Sterne-Restaurant in Yangon als Koch gearbeitet. Beide hatten nie vor, in den Kampf zu ziehen. Aber beide sind aufgewachsen in einer Zeit, in der Myanmar langsam freier und demokratischer zu werden schien. Jetzt die Diktatur einfach zu ertragen – für sie unmöglich. "Wir haben Träume und Ziele und die Menschen auf unserer Seite. Sie sind das Wichtigste. Sie wehren sich und wir vernetzen uns immer mehr. Weil das Volk auf unsere Seite ist, können wir diese Revolution gewinnen", glaubt Ko Khant. Sobald wie möglich wollen sie wieder dort rüber in die Berge nach Myanmar.

Mutigen Informanten und Bürgerjournalisten

Journalist Aung Kyaw
Aung Kyaw berichtet auch von Thailand aus weiter, finanziert mit Geldern der norwegischen Regierung. | Bild: NDR

Nachdem wir die beiden Rebellen abgesetzt haben, passieren wir einen Kontrollpunkt des thailändischen Grenzschutzes. Die Flüchtlinge aus Myanmar sind hier nur geduldet, die meisten haben keinen gesicherten Aufenthaltsstatus und müssen sich verstecken.Das gilt auch für den Journalisten Aung Kyaw. Er sei in Myanmar von den Militärs gefoltert worden, sagt er. Filmmaterial aus den Überwachungskameras in seinem Geschäftshaus zeigt, wie etwa 100 Soldaten und Polizisten eindringen, um ihn festzunehmen. Durch eine Amnestie kommt er später überraschend frei und flieht. "Das Militär hat diese vielen Waffen. Wenn wir nicht mehr internationale Unterstützung bekommen, wird es noch viele zivile Opfer geben. Bitte helfen Sie uns wie der Ukraine, möchte ich deshalb sagen."

Aung Kyaw berichtet auch von Thailand aus weiter, finanziert mit Geldern der norwegischen Regierung. Er hat ein Netzwerk von mutigen Informanten und Bürgerjournalisten. Sie schicken Bilder und Videos. Aung veröffentlicht alles im Internet: "Früher konnten die Militärs einfach ihre Propaganda verbreiten Aber jetzt wissen die Menschen einfach mehr. Mit der Technologie heute lassen sich Nachrichten nicht stoppen." Die Zivilgesellschaft kann gewinnen, ist Aung Kyaw überzeugt, aber nur, fügt er schnell hinzu: "wenn uns die Welt nicht vergisst."

Zum Abschied erzählt mir Lar Say von ihrer kleinen Pension in den Bergen. Sie hatte sie während der Jahre der Demokratisierung in Myanmar mit Freunden eröffnet. Ich sehe an ihrem Strahlen, wieviel ihr der Ort bedeutet. "Wenn sich etwas verändert und mein Leben nicht mehr in Gefahr ist, dann will ich definitiv wieder zurückgehen", sagt sie.
Im Moment weiß niemand, ob und wann es je soweit ist. Aber Lar Say und die anderen können es sich nicht leisten, die Hoffnung zu verlieren.

Autorin: Sandra Ratzow, ARD-Studio Singapur

Stand: 19.06.2022 19:33 Uhr

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