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Sudan: Demokratiebewegung am Ende?

Sudan: Demokratiebewegung am Ende? | Bild: NDR

Nachdem der zivile Übergangspräsident Hamdouk zurückgetreten ist, fürchten die Menschen im Sudan um ihre Zukunft. Das Militär hat die Macht wieder an sich gerissen, der Weg in eine demokratische Zukunft droht zur Sackgasse zu werden. Denn Ex-Präsident Hamdouk galt als letzter Vertreter der Demokratiebewegung mit Einfluss in der Regierung. Auf den Straßen der Hauptstadt und überall im Land protestieren die Menschen gegen die Militärs. Die Soldaten antworten mit Gewalt. Auch in der Krisenprovinz Dafur, in der seit Jahrzehnten ein Bürgerkrieg tobt, wird die Situation für die Einwohner immer schlimmer. Denn wegen der zunehmenden Gewalt stellen die Hilfsorganisationen ihre Lieferungen ein. Und von denen sind Hundertausende abhängig.      

Am Eingang zum Lager gibt es noch alles: Gemüse, Obst, Süßigkeiten, Fleisch. Doch das können sich hier nur wenige leisten. 100.000 Menschen leben im Otasha-Camp in Nyala, viele seit fast 20 Jahren. Die improvisierten Hütten aus Plastikplanen sind zu festen Behausungen geworden. Eine funktionierende Infrastruktur gibt es immer noch nicht, kein Strom, Wasser kommt auf Eselskarren und ist deshalb teuer. Der Traum von der Rückkehr ist für die meisten hier geplatzt. Sie wissen inzwischen, dass sie hier nicht mehr wegkommen.

Gestrandet im Otasha-Camp

Mahktoum Abdallah spricht in die Kamera.
Mahktoum Abdallah will sich aus dem Camp "herausstudieren". | Bild: NDR

Mahktoum Abdallah lebt seit 17 Jahren mit seiner Familie im Otasha-Camp: "Als ich hierher kam, war ich vier Jahre alt, ich kann mich nicht an alles erinnern, was passierte, aber meine Familie erzählte mir viel. Über die Angriffe, das Morden, die Kinder, die gestorben sind, weil sie kein Wasser und keine Nahrungsmittel hatten." Sie kamen, nannten den Platz nach ihrem Heimatdorf Otasha und blieben. Auch die Angst vor der Rückkehr blieb, noch immer wird in Darfur gekämpft. Die Leute würden jeden Job annehmen, sagt Mahktoum, aber es gibt eben keine Arbeit. Er selbst hat sich aufs Lernen verlegt. Er spricht inzwischen fließend englisch, außerdem türkisch und spanisch. Jetzt lernt er deutsch. Er will sich "herausstudieren" aus diesem Lager, wo er sich nicht einmal gesund ernähren kann.

Viele Menschen im Sudan kämpfen noch immer gegen den Hunger, hängen von der Unterstützung internationaler Hilfsorganisationen wie dem Welternährungsprogramm ab. 30 Prozent aller Kinder sind es in Süd-Darfur. Hajir Suleiman ist mit ihrer Tochter Razan ins Gesundheitszentrum gekommen. Das Kind ist chronisch unterernährt, bekommt regelmäßig besonders fett- und vitaminreiche Zusatznahrung. Hajir Suleiman erzählt: "Razan ist genau vor einem Jahr geboren. Als sie sechs Monate alt war, merkte ich, dass sie nicht gesund ist. Jemand aus dem Gesundheits-Zentrum hier brachte uns beide her. Inzwischen geht es Razan zum Glück besser." Razan wird noch lange Hilfe brauchen, denn ihre Mutter kann sie nicht ausreichend versorgen.

Konflikt zwischen Nomaden und Bauern wieder aufgeflammt

Das Welternährungsprogramm der UNO, WFP, lagert Tausende von Tonnen an Lebensmitteln in Darfur. Allein hier Nyala sind es rund 13 Millionen Tagesrationen: Getreide, Öl, Hülsenfrüchte. Die Sicherheitslage ist weiter prekär. Nur 200 Kilometer weiter in El Fasher wurde vor wenigen Tagen ein noch größeres Warenlager geplündert. "So viel wurde gestohlen. Was Sie hier sehen sind 400 Tonnen, also mehr als das Zehnfache wurde gestohlen in El Fasher. Nicht nur das, die Gebäude wurden komplett zerstört. Es ist dringend nötig, dass die Regierung Sicherheit garantiert, sonst können wir die Unterstützung für die Menschen, die es am meisten brauchen, nicht mehr leisten", sagt Leni Kinzli vom UN-Welternährungsprogramm WFP.

Das WFP hat die Hilfe für ganz Nord-Darfur vorläufig eingestellt. Das heißt, zwei Millionen Menschen werden nicht mehr unterstützt. Verantwortlich für den Überfall sollen Milizen gewesen sein, ehemalige Nomaden. Ein alter Konflikt flammt da wieder auf, der Konflikt zwischen Nomaden und Bauern um knappes Weideland und Wasser. Ein Bürgerkrieg, bei dem 400.000 Menschen umgekommen sind, weil Nomaden auf Kamelen die Dörfer der Bauern niederbrannten und die Bewohner ermordeten. Viele wagen sich noch immer nicht in ihre Dörfer zurück.

Wege aus dem Lager: Trainingsprogramme und Bildung

Eine Frau sitzt in einem Tomatenfeld.
Das Welternährungsprogramm unterstützt mit Trainingsprogrammen bei dem Anbau von Gemüse. | Bild: NDR

Aber nach fast zwei Jahrzehnten fehlen auch schlicht die Kenntnisse, wie man Landwirtschaft betreibt. Das Welternährungsprogramm bietet deshalb Trainingsprogramme an, die die Wiederansiedlung erleichtern – etwa für den Anbau von Gemüse. "Wir hatten nichts im Lager. Wir konnten uns nichts leisten. Das war der Grund, dass wir zurückkamen. Wir wollen nur leben. Wir sind hergekommen, weil wir so arm waren, nur deshalb. Jetzt sind wir gerne hier – und bauen Tomaten an", sagt Hawa Abakkar.
Die Frauen bekommen neben dem, was sie ernten und auf dem Markt verkaufen, eine finanzielle Unterstützung, bis sie sich komplett selbst versorgen können. Ein Anreiz, nicht so schnell aufzugeben: "Nur so kehren die Leute zurück in ihre Heimat und sind keine Flüchtlinge mehr. Sie können ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten und bekommen wirtschaftliche Chancen", sagt Leni Kinzli vom UN-Welternährungsprogramm WFP. Bisher profitieren nur wenige von dieser Unterstützung, zumal der Staat wenig dazu beiträgt. Und jetzt, nach Militärputsch und Massenprotesten, herrscht ohnehin Chaos im Land. Es wird noch Jahre dauern, bis die Leute in ihre Dörfer zurückkehren können.

Ein anderer Weg aus den Lagern führt über Bildung. Doch auch der ist steinig. In einer heruntergekommenen Schule im Otasha-Camp fehlt an allem: Schulmöbel, Bücher, Hefte. Mahktoum steht kurz vor dem Examen, er lernt. Ihm ist egal, wo er das tut. Nach den Prüfungen will er studieren: "Bildung ist ein Grundrecht für jedes Kind, egal welche Religion, welches Aussehen du hast, egal woher du kommst. Bildung ist das Mittel, um die ganze Welt zu verändern und ein anständiges Leben zu führen und alle unsere Träume zu verwirklichen." Mahktoum wird es schaffen. Er wird das Lager hinter sich lassen. Die meisten Schüler in Otasha werden hier bleiben müssen, ohne Aussicht, ihre Träume verwirklichen zu können.

Autor: Stefan Maier, ARD-Studio Kairo

Stand: 10.01.2022 10:59 Uhr

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