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Frankreich: Die Müllsammler von Korsika

Frankreich: Die Müllsammler von Korsika  | Bild: NDR

Irgendwann konnte Pierre-Ange Guidicelli den Anblick der vermüllten Strände und Buchten auf Korsika nicht mehr ertragen. Und er beschloss, etwas dagegen zu unternehmen. Der 25-Jährige gründete vor fünf Jahren den Verein "Mare Vivù" und begann mit freiwilligen Helfern, den allgegenwärtigen Plastikmüll auf seiner Insel einzusammeln. Inzwischen ist "Mare Vivu" zu einer der wichtigsten Naturschutzorganisationen der Insel geworden.

Kampf gegen Umweltverschmutzung und Gedankenlosigkeit

Pierre-Ange Guidicelli im Interview.
Pierre-Ange Guidicelli hat den Verein "Mare Vivù" gegründet. | Bild: NDR

Mit dem letzten bisschen Abendwind haben sie es zurück in die Bucht geschafft. Stundenlang waren Pierre-Ange Guidicelli und seine Crew unterwegs auf dem Meer. Die Netze sind prallgefüllt. "Wir haben hier eine DVD von 'Shutter Island' gefunden – die können wir ja heute Abend anschauen", sagt Guidicelli. Die Ausbeute von nur zwei Stunden ist beträchtlich. Alles, was Touristen und Anrainer rund um dieses Meer hinterlassen haben: "Wir sind 13 Kilometer hin und wieder zurück. In der kleinen Bucht war es ganz schrecklich. Da haben wir echt viel gefunden und eingesammelt. Wir haben dann abgebrochen, weil wir zurück mussten. Aber da ist wirklich noch irre viel!", erzählt Giudicelli. Alle Helfer sind junge Korsen. Und sie nehmen es nicht hin, dass ihre Insel zur Müllhalde wird. Alle arbeiten ehrenamtlich, gegen Umweltverschmutzung und Gedankenlosigkeit. Am nächsten Morgen wird der Müll nach Art und Herkunft sortiert. Es ist alles dabei, auch skurrile Fundstücke: Masken oder Schuhe.

Pierre-Ange Guidicelli ist auf Korsika aufgewachsen und hat Meeresarchäologe studiert. Er kennt die Folgen der Plastikvermüllung für den Menschen genau: "Man schätzt, dass wir ungefähr eine Kreditkarte pro Woche an Mikroplastik zu uns nehmen, eine Plastik-Kreditkarte! Alles, was sie gefunden haben, wird genau erfasst." Es ist eine wertvolle Datensammlung, die an das nationale Meeresforschungsinstitut weitergeleitet und dort ausgewertet wird: "Wenn wir zum Beispiel viele Flaschendeckel finden, kann man sagen, dass besonders Einwegflaschen diese Verschmutzung verursachen", erklärt Helferin Simon Ginestet.

Xavier Gaudens ist gekommen, um sich die Arbeit von Mare Vivù anzusehen. Pierre-Ange Guidicelli erklärt ihm, was sie hier gerade machen und zeigt ihm, was sie gesammelt haben. Gaudens, Bürgermeister, ist schockiert: "Vor allem das PVC da, das dürfte gar nicht da sein, das ist schockierend." Natürlich sorgt die Gemeinde dafür, daß die Strände hier – zumindest im Sommer - gereinigt werden, aber Gaudens sieht selbst, daß das nicht ausreicht. Die Mitglieder von "Mare Vivù" umrunden sie jeden Sommer ihre Insel und sammeln Müll. Die Trimarane haben sie selbst gebaut, Boote und die Touren finanziert Mare vivù mit Spenden.

Mittelmeer: das schmutzigste Meer der Welt

Boote vor Korsika.
"Mare Vivù" ist eine der wichtigsten Naturschutzorganisationen auf Korsika. | Bild: NDR

Bis zu 600.000 Tonnen gelangen jedes Jahr ins Mittelmeer: Es ist das schmutzigste Meer der Welt. Philippe Moreau ist Fachmann. Müll ist sein Metier, seit er vor 40 Jahren auf die Insel kam. Früher war er Korallenfischer. Das Meer liegt ihm am Herzen. Deswegen sorgt er dafür, daß hier ordentlich getrennt – und auch entsorgt wird. Nur mit dem Plastikmüll geht das nicht: "Der Plastikmüll kann nicht recycelt werden. Der kommt hier rein. Dann wird er vergraben. Dazu muss er mit dem Helikopter abtransportiert und vorher mit dem Lkw durch ganz Korsika gefahren werden. Das alles zahlen wir. Das ist eine Katastrophe. Eine Umweltkatastrophe." Eine, die hier nur wenige wahrnehmen wollen.

Noch schlimmer als der sichtbare ist der unsichtbare Müll. Das ist es, woran Tiere verenden, was Menschen an Krebs erkranken lässt. Von oben nur schwer zu sehen, aber mit einer Unterwasserkamera: Plastik, immer kleiner zerrieben von Felsen und Sand. Ein paar Kilometer weiter sitzt Xavier Gaudens in seinem Büro. Als Fachmann für Wasserwirtschaft weiß er genau, welches Ausmaß die Umweltkatastrophe im Mittelmeer hat. Er tut, was er kann. Aber: Als Bürgermeister einer kleinen Kommune geht es ihm wie Sisyphos: "Wenn wir über den Schutz des Mittelmeeres ernsthaft sprechen wollen, dann müssen alle etwas tun: Frankreich, alle anderen Anrainer in Nordafrika – aber vor allem: Europa!"

Autorin: Sabine Rau, ARD-Studio Paris

Stand: 01.08.2021 20:22 Uhr

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