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Frankreich: 60 Jahre Freundschaft - Funktioniert die militärische Zusammenarbeit?

60 Jahre deutsch-französische Freundschaft  | Bild: picture alliance | CHROMORANGE / Ralph Peters

Seit mehr als 30 Jahren gibt es die deutsch-französische Brigade; ein Militärverband, in dem Soldat*innen aus Deutschland und Frankreich Dienst tun. Die binationale Einheit war geplant als Zeichen der sicherheitspolitischen Verbundenheit der beiden wichtigsten EU-Staaten und als Kern einer zukünftigen EU-Armee.   

Zwei Sprachen – ein Verband

Sie sollen schwere Lkw im Konvoi fahren – Soldaten der deutsch-französischen Brigade - der französische Ausbilder übersetzt parallel: "Lasst einen Abstand zwischen den Fahrzeugen." Zwei Sprachen – ein Verband.  Das binationale Bataillon der deutsch-französischen Brigade trainiert für den Ernstfall. Im Einsatz kämpfen sie Seite an Seite, in der Nato und für die EU. – Es ist der einzige gemischte, zweisprachige Verband der Brigade. Ihre Urgroßväter waren noch Feinde.

Das Bataillon de Commandement et Soutien, das Stabs- und Versorgungsbataillon  setzt sich in Bewegung. Der Konvoi startet. Die deutsch-französische Brigade war im Einsatz in Bosnien und in Mali. 1987 gegründet, sollte sie die Keimzelle einer europäischen Armee werden. Allerdings hat Frankreich seine Soldaten vor 15 Jahren aus Kostengründen aus Deutschland abgezogen. Bis auf das Hauptquartier: Im baden-württembergischen Müllheim sieht man deutsche und französische Militärfahrzeuge. 1.200 Soldatinnen und Soldaten sind hier stationiert, 40 Prozent kommen aus Frankreich. In der Robert-Schumann-Kaserne, findet ein Teil der gemeinsamen Ausbildung für Kampfeinsätze statt.

Oberfeldwebel Léon B.: "Im Deutschen hat man das Vier-Augen-Prinzip." Die 3 Franzosen sollen das deutsche Sturmgewehr G36 lernen. "Ich entsichere, schieße – und sichere wieder. Revue de securité terminée.", sagt der Oberfeldwebel. "Ich wechsele die Sprache, was mir relativ einfach fällt, weil ich Muttersprachler bin, und der Soldat 100 Prozent von dem versteht, was ich sage." Dann sind die Deutschen dran ihrem französischen Ausbilder. Ausbildung am französischen Sturmgewehr – tatsächlich hat jede Nation ihr eigenes Gerät. "Wir üben mit deutschen und französischen Waffen, so lernen wir die jeweils anderen kennen und können dann zusammen arbeiten", erklärt Sergent Étienne.

Kampfjetsystem FCAS – gemeinsames Megaprojekt

Flugzeug in einer Simulation
Das Kampfjetsystem FCAS ist ein deutsch-französisches Prestige-Projekt. | Bild: NDR

Die Zukunft ist das Kampfjetsystem FCAS – ein Gemeinschaftsprojekt. Satellitengestützt, schwer bewaffnet, mit Drohnengeschwader. 100 Milliarden schwer.  2040 soll es startklar sein. Im Flugsimulator bei Airbus in Deutschland werden bereits Einsatzszenarien geprobt. Airbus ist Teil eines Unternehmenskonsortiums, dass mit diesem Mega-Projekt betraut ist. Michael Schöllhorn, Airbus-Rüstungschef und selbst ein ehemaliger Bundeswehr-Pilot, hatte allerdings harte Auseinandersetzungen mit seinem Partner in Frankreich zu bestehen. Das deutsch-französische Prestige-Projekt stand auf der Kippe. Eine Einigung gab es erst in letzter Minute. "Ich glaube, dass wir in Europa nur dann eine Zukunft mit allen beteiligten Firmen haben, wenn wir den Weg weiterer europäischer Zusammenarbeit finden und aktiv leben."

Doch das ist gar nicht so einfach, weiß man bei Airbus. Die Industriepartner sollen wie beim Eurofighter zusammenarbeiten, Hand in Hand. Doch die Kooperation mit dem französischen Partner gestaltet sich kompliziert. Streit gab es vor allem das sogenannte intellektuelle Eigentum, also das eingebrachte Know-how für das neue Projekt.

Dassault in Paris: Ein traditionsreiches Familienunternehmen mit exzellenten Verbindungen in höchste Regierungskreise. Der selbstbewusste Dassault-Chef Éric Trappier hat sich die Führerschaft für das neue Kampfjet-Projekt gesichert. Dassault baut Militärflugzeuge seit Generationen und will sich von Airbus nicht in die Karten schauen lassen. Das hat der Konzernchef unmissverständlich klar gestellt: "Ich denke, Airbus ist mit uns einig. Ich verstehe die Kritik nicht. Wenn Sie etwas erfinden, dann sind Sie Eigentümer dieser Technologie. Wenn wir etwas gemeinsam erfinden, dann sind wir Gemeinschaftseigentümer. Aber alles, was wir in den letzten 70 Jahren entwickelt haben, das gehört mir."

Gemeinschafts-Projekt hat politisch höchste Priorität

Es ist ein erbitterter Zweikampf. Doch für Kanzler Scholz und Präsident Macron hat das Gemeinschafts-Projekt höchste Priorität. Zum 60. Jahrestag des Élyséevertrages betonen sie die Notwendigkeit gemeinsamer Streitkräfte und einer starken Rüstungsindustrie. Allerdings: Ohne ein Machtwort aus der Politik wäre das Kampfjetsystem FCAS wohl gescheitert. In Paris versucht man, die Wogen zu glätten: "Wenn man über sensible Technologien spricht, selbst zwischen zwei Nationen, die so einzigartig eng miteinander verknüpft sind wie Frankreich und Deutschland, gibt es immer auch kleine Widerstände. Das ist verständlich. Geheimnisse? Ich würde das nicht Misstrauen nennen, eher Vorsicht. Das wird sich ändern", erklärt Bruno Le Maire, Wirtschaftsminister Frankreichs.

Bei der deutsch-französischen Brigade bleibt alles beim Alten. Sie marschiert unverdrossen weiter. Motto: "Dem Besten verpflichtet" – und das heißt, trotz mancher Spannungen, der deutsch-französischen Zusammenarbeit.

Autorin: Sabine Rau, ARD-Studio Paris

Stand: 23.01.2023 17:45 Uhr

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