Interview mit Julia Jentsch
In Hans-Christian Schmids Miniserie "Das Verschwinden" spielen Sie Michelle Grabowski, deren ältere Tochter Janine von einem Tag auf den anderen spurlos verschwindet. Was haben Sie beim Lesen des Drehbuchs empfunden? Was haben Sie als Herausforderung angesehen?
Die Situation, in der Michelle sich als Mutter befindet, fand ich schrecklich und gleichzeitig wusste ich nicht, was überhaupt passiert ist und ob sie vielleicht sogar selbst etwas damit zu tun hat. Deshalb habe ich die ganze Zeit beim Lesen mitgefiebert, mitgelitten und mitgerätselt. Eine Figur zu finden, die man hier nur in einer besonderen Zeit erlebt, und diese Figur und Geschichte über acht Filme hinweg zu erzählen, das war herausfordernd und neu.
Michelle begibt sich auf die Suche nach Janine und stößt dabei auf unerwartete Widerstände und Hindernisse. Wie haben Sie sich der Figur genähert?
In Proben und Gesprächen habe ich mir mit dem Regisseur und den anderen Darstellern und Darstellerinnen eine gemeinsame Vergangenheit für unsere Figuren gebaut. Ich habe mir ihre Herkunft, ihr Leben und ihre Beziehungen überlegt. Einen Tag lang habe ich eine Altenpflegerin begleitet. Die Kostüm und Maskenproben sind auch immer entscheidende Schritte bei der Figurensuche.
Obwohl Michelle Grabowski sich der Möglichkeit bewusst ist, dass Janine nicht mehr am Leben sein könnte, bleibt sie gefasst und konzentriert sich mit aller Kraft auf die Suche nach ihrem Kind. Was denken Sie, woraus Michelle diese Kraft schöpft und warum sie die Fassung behält?
Ihre Töchter sind das Wichtigste für sie und für die beiden würde sie alles tun. Deshalb gibt sie nicht auf. Michelle erhält immer wieder neue Informationen, die sie auf weitere Spuren und Ideen bringen, was geschehen sein könnte. Sie glaubt nicht an den vollen Einsatz der Polizei und will deswegen vieles selbst in die Hand nehmen.
"Das Verschwinden" ist Ihr erstes Projekt mit Hans- Christian Schmid, der bekannt ist für seine sensible und ge- naue Figurenzeichnung. Wie war die Zusammenarbeit? Wie haben Sie die Figur Michelle Grabowski zusammen entwickelt?
Mit HansChristian Schmid zusammenarbeiten zu dürfen, war schon sehr lange ein großer Wunsch von mir. Als die CastingEinladung kam, konnte ich es kaum glauben. Dass es nun wirklich dazu gekommen ist, war eine große Freude für mich und die ist während des Drehs weiter gewachsen. Eine gemeinsame Vorbereitung bestand im Lesen und Sprechen mit ihm und anderen Kollegen über alles, was unsere Figuren betraf. Wir sind die Texte durchgegangen und haben ausprobiert, ob sie für uns sprechbar sind und für die Figuren stimmen. Er hat uns und unsere Meinung sehr einbezogen.
Seine Art, Regie zu führen, ist wirklich geheimnisvoll. Ich finde, man spürt immer, dass er eine Szene führt, aber sehr behutsam. Manchmal ist es nur eine kleine Frage, oft nur seine Art der Anwesenheit, die bewirkt, dass die Szene sich verändert. Für mich war diese Arbeit ein Geschenk.
Die Figur, die Sie spielen, ist starken Emotionen ausgesetzt. Wie schafft man es, über eine so lange Drehzeit von August bis Ende Dezember die Spannung zu halten?
Mit tollen Kollegen, einem engagierten Team und einem Regisseur, der die gesamte Drehzeit die Kraft, Motivation und Ruhe behält und jeden Tag aufs Neue eine besondere Arbeitsatmosphäre erschafft.
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