Im Gespräch mit Petra Schmidt-Schaller

Kommissarin Katharina Lorenz

»Es verändert sich die Dimension, die ein Fall entwickeln kann.«

Petra Schmidt-Schaller
Petra Schmidt-Schaller ist Kommissarin Katharina Lorenz. | Bild: NDR / Christine Schröder

Katharina Lorenz ist jetzt bei der Bundespolizei. Was verändert sich dadurch für die Figur?

Es verändert sich die Dimension, die ein Fall entwickeln kann. Bei der Bundespolizei gerät man automatisch an globalere Themen; das ist die wichtigste inhaltliche Veränderung. Ich glaube, es passiert einem als normaler Kommissar bei der Kripo nicht so oft, dass man mit Themen wie Flüchtlingen und Asylrecht zu tun hat, denn dafür ist in jeder Stadt, an jedem Bahnhof, Flughafen und Hafen, die Bundespolizei zuständig.

Der Fall führt Falke und Lorenz nach Wilhelmshaven. Was bleibt von so einem Drehort in Erinnerung?

Von Wilhelmshaven ist mir geblieben, dass die Menschen dort eine tolle Situation haben, indem sie in einer Stadt leben, in der man sich wohlfühlen kann, dann aber auch direkt am Meer sind. Leider haben die Bewohner durch den Jade Weser Port einen wunderschönen Strand verloren, wie wir erfahren haben. Außerdem ist mir viel, viel Kälte in Erinnerung geblieben. Wir haben ja bis in den November hinein gedreht und dort Wind, Kälte und Nässe erlebt.

Auf der Suche nach den Hintermännern einer Schleusung befragen die Ermittler auch illegale Flüchtlinge. Lorenz ist stark beeindruckt von dieser Begegnung. Wie nimmt sie die Situation wahr?

Wenn man die ganze Zeit über Flüchtlinge redet, und dann steht man wirklich vor dreißig Menschen, die aus einem Container kommen, dann lässt einen das, glaube ich, nicht kalt. Umso mehr, wenn man deren Schicksal erahnt oder sogar kennt. Wir machen uns alle keine Vorstellung, wie diese Flüchtlinge zu uns nach Europa gelangen. Es gibt vielleicht eine Handvoll, die auf einem angenehmen Weg hierher kommen, aber sehr viele erleben eine barbarische Tortur. Und dann sind wir wieder beim Kernproblem, das ja jetzt fast täglich durch die Presse geht, nämlich wie man damit umgeht.

Lorenz nimmt sich des kleinen Jungen an, dessen Vater inhaftiert wurde, und sorgt dafür, dass beide wieder zusammenfinden. Wie haben Sie die Arbeit an diesen Szenen erlebt?

Der Darsteller dieses Jungen kam aus Berlin, und hatte mit der angesprochenen Thematik Gott sei Dank nichts zu tun. Wenn man heftige Situationen drehen will, in denen Kinder vorkommen, dann versucht man, das alles über das Bild zu lösen und nicht über die eigentliche Situation am Drehort. Von daher war das Drehen immer sehr spielerisch. Mir gefällt diese Szene sehr, weil sie zeigt, dass man im Kleinen anfangen und etwas bewirken kann, auch wenn man dem großen Ganzen gegenüber ohnmächtig ist. Wenn man irgendwo eine Chance sieht, etwas bewegen zu können, dann kann man da zupacken. Das tut die Lorenz, indem sie sich eben nicht von bürokratischen Hürden abschrecken lässt. Sie dehnt die Grenzen aus, die ihr gesteckt werden, und bringt Vater und Sohn auf diese Art wieder zusammen.

Am Ende haben die beiden eine Chance, vielleicht doch in Deutschland bleiben zu können. Inwieweit haben Sie sich bei der Vorbereitung des Films mit dem Asylrecht beschäftigt?

Das Schlimme ist ja, dass Flüchtlinge keine Aufenthaltsgenehmigung bekommen, wenn sie aus einem befriedeten Land kommen. Und der Kongo ist trotz der Bürgerkriege als befriedetes Land eingestuft, was brutal ist, wenn man weiß, was für Umstände dort herrschen. Wir haben uns intensiv mit diesen Dingen beschäftigt. Von der Sachlage her war klar, dass die beiden eigentlich nicht bleiben können, wenn sie aus dem Kongo sind. Was im Film ja auch gesagt wird. Wir sind bei unseren Recherchen dann aber darauf gestoßen, dass es mal einen Präzedenzfall gab: Ein deutsches Gericht hat einer Frau aus dem Kongo aufgrund ihrer starken Traumatisierung ein Bleiberecht zugesprochen. Das wollten wir gern mit einfließen lassen und haben das Buch kurzfristig dahingehend noch mal geändert, so dass es für unsere beiden Figuren zumindest einen Hoffnungsschimmer gibt. Wenn man einmal anfängt, sich mit diesen Problemen zu befassen, merkt man, dass es ganz schön viele ausweglose Fälle gibt. Man kann natürlich nicht sagen: Kommt alle her. Aber es ist trotzdem so, dass man bei jedem sagen möchte: Bitte komm. Diese schwierige Situation versucht der Film einzufangen.

Welche Vorbereitungen betreiben Sie noch für einen neuen "Tatort"?

Da ich natürlich immer selbst eine Meinung zu dem haben möchte, was meine Figur sagt und tut, besteht die Vorbereitung zunächst mal in ausgiebigem Nachlesen zu allen wichtigen Themen. Zum anderen absolvieren wir ein intensives Schießtraining, und vor den Drehs bin ich immer noch mal einen Zacken sportlicher als ohnehin schon. Das heißt, ich mache mehr als nur das Standardtraining. Ich habe das Gefühl, dass ich das in der Arbeit mit Wotan brauche, dass ich da noch mal eine Kohle drauflegen muss. Katharina Lorenz wird zwar, glaube ich, nie so eine durchtrainierte Kämpferin werden, aber sie hat auf jeden Fall etwas Kämpferisches bekommen. Mehr als in den ersten zwei Teilen.

Falke hat in Rita Kovic eine gute Freundin verloren; Lorenz gegenüber sagt er kein Wort darüber. Sie scheint dennoch alles zu registrieren. Verstehen die beiden sich inzwischen auch ohne Worte?

Falke und Lorenz haben ja eine besondere, sehr tastende Art der Annäherung. Aber sie können nicht leugnen, dass sie trotz aller Unterschiede irgendwie eine Gemeinsamkeit haben. Wir haben das so angelegt, dass die Lorenz ihn vom Verstand her erfasst und er sie vom Bauch her, dass sie sich dann aber in der Mitte treffen. Und bei diesem Film haben wir gesagt: Jetzt hat es stattgefunden; die beiden verstehen sich inzwischen auch nonverbal.

Abends umarmt sie ihn einmal kurz im Flur. Was drückt sich in dieser Geste aus?

Es kulminiert vieles in dieser Geste. Einerseits die viele Zeit, die sie miteinander verbringen, und die Anziehung, die da verborgen liegt, andererseits aber auch die Verzweiflung darüber, was sie gerade für einen schwierigen Fall behandeln, und dann natürlich auch, dass eine ehemalige Kollegin von ihm verstorben ist, die ihm etwas bedeutet hat. Es ist ja definitiv so, dass die beiden keinen normalen körperlichen Umgang miteinander haben, und das alles zusammen führt dazu, dass aus der Überforderung dann eine Umarmung wird.

Im Umgang mit modernder Kommunikationstechnik scheint Lorenz dem Kollegen weit voraus zu sein. Ist das dem Altersunterschied geschuldet? Haben Sie selbst auch ein Händchen für so was?

Ich glaube tatsächlich, das ist dieser Split der Generationen. Ich habe einen Bruder, der in Wotans Alter ist, so 45, 46. Wenn ich zu dem fahre, mache ich ihm seinen Computer wieder klar. Der könnte das zwar auch selbst, aber er würde einfach länger dafür brauchen. Darin sehe ich diesen kleinen Generationssplit von 15 Jahren. Und bei Lorenz und Falke ist das ähnlich. Sie ist, wie ich, mit dieser Technik aufgewachsen und geht entsprechend routinierter damit um.

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