Vier Fragen an Bastian Günther (Buch und Regie)

Schilling (Niels Bormann, li.) und Paul Brix (Wolfram Koch).
Schilling und Paul Brix. | Bild: HR/U5 Filmproduktion

Sie erzählen eine düstere Geschichte mit einem aktuellen und sehr ernsten Hintergrund. Was hat Sie zu diesem Tatort inspiriert?

Das reale Leben war die Inspiration. Die Vorgänge rund um die Polizeiwache 1 in Frankfurt und die NSU 2.0-Drohbriefe waren und sind immer noch verstörend. Auch wenn schlussendlich ein Schuldiger – kein Polizist – festgenommen und verurteilt worden ist, bleiben viele offene Fragen. Als hr-Redakteur Jörg Himstedt mit der Idee zu mir kam, das Thema in einem „Tatort“ zu verarbeiten, war ich sofort interessiert. Der Fall um die Drohbriefe ist ja nur ein Fall, bei dem die Polizei in Verbindung zu rechten Aktionen steht. Auch unter Reichsbürgern oder PrepperGruppen finden sich immer wieder Polizisten oder Bundeswehr-Soldaten. Und immer wieder wird von Einzelfällen gesprochen. Ich möchte nicht alle Polizisten über einen Kamm scheren, die meisten sind bestimmt gute Leute. Aber wie viele Einzelfälle sind ein Netzwerk?

Nicht nur das Drehbuch war herausfordernd, auch die Produktion. Sie haben in großen Teilen nachts gedreht. Wie ändert das die Arbeit am Set?

Das bringt natürlich Herausforderungen mit sich. Die großen Lichteinheiten und die Lichtumbauten waren ein großer Faktor, besonders im Zusammenhang mit der abgelegenen Location – Feld, Waldrand, unbefestigter Boden – die das Arbeiten nicht einfacher gemacht hat. Irgendwann, in der dritten Nachtdreh-Woche bemerkt man dann auch eine kollektive Ermüdung im Team. Man wird irgendwann langsamer. Das Schöne ist aber, dass es eine große Konzentration und Fokussierung in der Nacht gibt. Man ist auf diesen Feldern ganz allein und ist ganz bei der Sache, man ist wie in einer Blase. Es war dann plötzlich schwierig, sich wieder auf den Tag umzustellen. Es war auf einmal so hell ...

Wie kam es dazu, dass eine amerikanische Band die Filmmusik für „Erbarmen. Zu spät.“ komponiert hat?

Das Musiker-Trio Dallas Acid kommt ursprünglich aus Austin, Texas, hat aber die letzten Jahre in New Mexico gelebt. Ich kenne die Band schon eine Weile und ich mag ihren minimalistischen, ‘spacigen‘ Vintage-Sound. Sie arbeiten vorzugsweise mit alten Moog Synthesizern, Mellotron und Percussion Instrumenten, wie zum Beispiel einem großen Gong. Ihre Musik könnte direkt aus einem 70er-Jahre Science-Fiction-Film kommen, was auch nicht verwunderlich ist – sie sind inspiriert vom Krautrock der 70er, zum Beispiel von Bands wie Cluster, Popol Vuh, Tangerine Dream und anderen.

Für mich ist „Erbarmen. Zu spät.“ ein moderner Western. Die Geschichte von einer Gruppe Menschen, nachts auf der Suche nach einem Toten – alleine in der Natur. Das Warten, das Dräuende und die Langsamkeit, das alles erinnert mich daran. Bis hin zu ganz klassischen Motiven aus Westernfilmen, wie das Bild von Menschen, die durch einen Fluss waten, um ihre Spuren zu verwischen. Man hätte jetzt Neil Young ähnliche Gitarrenklänge nehmen können oder eine Steel Guitar, aber ich wollte mich mit der Musik so weit wie möglich von dem Western-Motiv entfernen. Ich glaube, weil ich den Film offener gestalten und ihn nicht zu direkt in einem Genre verorten wollte. Daher kam die Idee, Dallas Acid zu fragen. Sie sollten mit ihrem Ambient Sound eine neue Ebene im Film aufmachen. Eine Fläche, die fast ständig präsent ist, selbst wenn man sie kaum wahrnimmt und manchmal nur subkutan wirkt. Der Auftrag für die Musiker war also, den Film auf den gesamten 90 Minuten zu vertonen, der Musik einen eigenen Spannungsbogen zu geben.

Wie lief die Zusammenarbeit ab?

Zuerst, weit vor dem Dreh, hatten wir lange Gespräche über die Geschichte des Films, auch wie ich mir den Look vorstelle, den Rhythmus und so weiter. Daraufhin hat die Band dann erste Layouts und Motive entworfen, die zum Teil schon sehr gut passten, sodass wir damit im Rohschnitt arbeiten konnten. Als der Feinschnitt fertig war, hat die Band dann live zu den Bildern die Musik nochmals eingespielt. Zum Teil waren das die Layouts leicht abgeändert, aber auch ein paar neue Stücke und Klänge kamen hinzu. Dann haben wir die Stücke gemeinsam im Studio abgemischt. Die Arbeit war ein sehr schöner, kreativer Prozess und Dallas Acid haben den Film mit ihrer Musik unheimlich bereichert.

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