Gespräch mit Axel Milberg

Hier stimmt was nicht: Borowski sucht das fehlende Puzzleteil (Axel Milberg).
Hier stimmt was nicht: Borowski sucht das fehlende Puzzleteil. | Bild: NDR / Christine Schroeder

Klaus Borowski wird gespielt von Axel Milberg

Klaus Borowski ist ein erfahrener Beamter. Selbstverständlich gibt er sein Wissen und seine Fähigkeiten an den Polizeinachwuchs weiter. Aber er weiß nicht nur, was das Handwerkszeug ist, sondern auch, wo die Abgründe liegen. Immer wieder entwickelt er sogar väterliche Gefühle, weil er etliche der Fehler, vor denen er jetzt warnt, schon einmal selbst gemacht hat. Kann man noch von Fehlern reden, wenn innerhalb von zwei Tagen Polizeischüler an zwei Todesfällen beteiligt sind, ein Selbstmord und ein Mord? Oder Totschlag? So bizarr ist der Fall, dass eine angehende Polizistin einen Kollegen mit einem Schraubenzieher ersticht, dass erst einmal große Ratlosigkeit herrscht, auch bei Klaus Borowski. Wann ist Mila Sahin eigentlich so selbstbewusst geworden, dass sie eigenmächtig aggressivste Verhörmethoden anwendet? Wenn Klaus Borowski sie ansieht, ist sie für ihn fast selbst noch eine Schülerin. An ihrem Engagement zweifelt er nicht, aber ob sie über das nötige psychologische Feingefühl verfügt? Leicht ist es für den Kommissar auch nicht. Eben noch leistet er guten Zuspruch bei den jungen Polizeischülerinnen und -schülern, da holt ihn plötzlich die Realität mit voller Wucht ein.

Gespräch mit Axel Milberg

»Wir gehen auf dünnem Eis. Wir können jederzeit zu Opfern und Tätern werden.«

In der Polizeiakademie wird ein Schüler vor den Augen von Klaus Borowski erstochen. Was löst die Tat in ihm aus?

Diese verdammte Praline! Hätte ein Keks Borowski noch retten können im "Tatort" Nr. 1000, so lenkt ihn hier eine dargebotene Süßigkeit ab, genau in dem Moment, wo eine Schülerin von Borowski durchdreht und einen jungen Polizeianwärter im Unterricht ersticht. Scheinbar grundlos.

Trägt er als Dozent die Verantwortung dafür?

Natürlich ist er verantwortlich, und ebenso sicher will Mila die Verantwortung auf sich nehmen. Etwas persönlicher als sonst nehmen daher Borowski und Mila Sahin die Ermittlungen auf. Sie schätzen sich beide, missverstehen einander, jeder hadert mit sich selbst. Es gibt Selbstvorwürfe und Ohnmacht.

Die Übung wurde von seiner Kollegin Mila Sahin geleitet. Hat sie in seinen Augen etwas falsch gemacht?

Da lag ein Schraubenzieher in der Kulisse, die die Wohnung eines Gewaltopfers darstellt. "Erstbefragung" soll geübt werden. Die Auszubildenden spielen Verdächtige, Opfer und Ermittler, sie sind übermütig und übertreiben ihre Rollen. Borowski schaut dabei zu, Mila darf die Übung leiten. Sie macht es gut. Und beide ahnen nichts von dem plötzlichen Gewaltausbruch und dem Trauma dahinter.

Kommissarin und Kommissar liefern sich ein heftiges Rededuell.

Bei der Vernehmung verliert sie die Kontrolle. Das führt zu Aussagen, die der Staatsanwalt vor Gericht in Deutschland nicht verwenden darf. Aber bitte, mal brüllt sie, mal Borowski, das ist nicht ausgemachte Sache. Nur, wer sich nicht an die Spielregeln hält, greift möglicherweise sogar zur Selbstjustiz, will auf die Jagd gehen. Wenn die Polizei unterbesetzt ist oder mangelhaft ausgebildet, sich vom Staat oder den Bürgern "verarscht" fühlt, kann es vorkommen, dass sich Ermittler der Kontrolle entziehen und ihr eigenes Ding machen wollen. Wie in unserer Geschichte die beiden Polizeischüler.

Sieht sich der erfahrene Kommissar auch gegenüber Mila Sahin ein wenig als Lehrmeister?

Wir haben hier eigentlich eine fast zu ideale Situation einer professionellen Beziehung. Der, sagen wir, erfahrene Cop und die kluge, neugierige jüngere Kollegin. Beide verfügen auch über Instinkt und sind in der Lage, die Tools zu wechseln. Man wird ja immer belogen, als Polizistin oder Polizist. Aber viele Informationen führen zu Widersprüchlichkeiten, man braucht also ein gutes Gedächtnis. Aber grundsätzlich lernen sie beide voneinander, denke ich.

Die Täterin ist zugleich Opfer. Sehen Sie den Fall als große Tragödie?

Tragisch ist auch der unterschiedliche Weg von zwei hoffnungsvollen jungen Mädchen. Beide erleben Gewalt. Die eine will daraufhin Polizistin werden, die andere sich selbst zerstören, kommt darüber nicht hinweg, ist nicht mehr erreichbar.

Sind Klaus Borowski und Mila Sahin letztlich machtlos, die Spirale von Verbrechen und Rache zu durchbrechen?

Es ist ja nun mal so, dass die Polizei immer zu spät kommt. Eigentlich von Berufs wegen. Hier ist das schmerzlich auch der Fall. Bis ganz am Ende. Da kann vielleicht ein Menschenleben gerettet werden. Aber es ist das Leben eines Mörders.

Einmal die Kontrolle verloren, schon liegt das Leben in Trümmern. Wie brüchig ist unser ziviles Leben?

Wir gehen auf dünnem Eis. Wir können jederzeit zu Opfern und Tätern werden.

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