Interview mit Christian Bach

Filmteam bei den Dreharbeiten (v. li. n. re.): Produzent Mario Krebs, Schauspieler Joshio Marlon, Regisseur Christian Bach, Schauspieler Lucas Gregorowicz und Schauspielerin Maria Simon
Filmteam bei den Dreharbeiten (v. li. n. re.): Produzent Mario Krebs, Schauspieler Joshio Marlon, Regisseur Christian Bach, Schauspieler Lucas Gregorowicz und Schauspielerin Maria Simon | Bild: rbb / Oliver Feist

Sie haben zum ersten Mal einen Fernsehfilm und Krimi gedreht. War die Arbeit für die Reihe "Polizeiruf 110" eine besondere Herausforderung?

Als Erstes musste ich mich mit den Formatvorgaben der Reihe und mit der Tatsache eines festen Figuren-Ensembles vertraut machen. Anfangs habe ich das als Einschränkung empfunden, später war ich nachhaltig überrascht, wie viel Freiraum dann doch möglich war. Dann macht man ja einen Film für ein Millionenpublikum auf einem traditionsreichen Sendeplatz mit entsprechenden Erwartungen, die man natürlich erfüllen will. Dabei überraschend, originell und spannend zu bleiben, filmisch zu erzählen, Herz und Kopf zu erreichen und das alles so wahrhaftig wie möglich – das war eine große Herausforderung (aber keine besondere, denn das versuche ich immer). Natürlich musste ich auch Kompromisse eingehen und die eigenen Ansprüche mit der vorgegebenen Zeit und dem Budget in Einklang bringen, aber das ist immer eine Herausforderung, egal ob Fernsehen oder Kino.

In Ihren Filmen "Hirngespinster" und "Hinter den Dünen" geht es – wie auch in "Heimatliebe" – um Familienkonstellationen. Interessieren Sie solche Stoffe besonders?

Ja, das scheint mich irgendwie zu interessieren, aber bewusst entscheide ich das nicht. Familienkonstellationen schleichen sich oft in meine Geschichten ein und bilden so den Hintergrund, auch wenn es dann im Kern um was anderes geht. Aber das Spannungsfeld Familie als Ort der Geborgenheit und als Arena zwischenmenschlichen Gemetzels finde ich ziemlich reizvoll und erzählerisch sehr ergiebig.

Sie haben für den Polizeiruf "Heimatliebe" das Drehbuch geschrieben und auch Regie geführt. Was sind die Vorzüge oder auch Nachteile an dieser Doppelfunktion?

Man kennt seine Geschichte in- und auswendig, man weiß genau, was, warum, an welcher Stelle passiert – das ist besonders hilfreich, wenn man beim Dreh vom Buch abweichen und Szenen spontan anpassen, weglassen oder umstellen muss. Dann überlege ich bei schwierigen Szenen fünfmal, ob ich mir das als Regisseur antun will bzw. arbeite ich schon beim Schreiben an einer möglichen Lösung für die Umsetzung. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass eine Szene sich auf dem Papier gut liest, beim Dreh dann aber nicht funktioniert, ist geringer. Dann sind die Kommunikationshindernisse im Entstehungsprozess kleiner, der kreative Dienstweg ist kürzer. Was den kunst-ideologischen Aspekt betrifft, bin ich absolut kein Verfechter der Autorenfilmer-Theorie, das halte ich auch für überholt. Die Personalunion führt zwar in einigen Fällen, wie z.B. bei PT Anderson, zu überragenden, außergewöhnlichen Filmen, das kann aber auch genauso bei der Trennung von Regisseur und Autor der Fall sein.

Ein Nachteil ist die Doppelbelastung, wenn noch kurz vor Drehbeginn, oder sogar während des Drehs, aus diversen Gründen Änderungen vorgenommen werden müssen. Dann ist man plötzlich wieder Autor, obwohl man schon kopfüber in der Regiearbeit steckt. Und falls die Story mal schwächelt oder Figuren und Szenen nicht funktionieren, kann man das nicht einfach dem Autor in die Schuhe schieben, sondern muss sich den Stinkstiefel selbst anziehen. Im Endeffekt: doppelte Verantwortung.

Gab es Besonderheiten bei der Umsetzung von "Heimatliebe"?

Die größte Besonderheit liegt in der Natur des deutsch-polnischen Polizeiruf, d.h. das Casting der polnischen Schauspieler, die Suche nach passenden Motiven, die Herstellung eines glaubhaften, polnischen Milieus und die Frage, wie man erzählerisch und inszenatorisch mit der Sprachbarriere und der Untertitel-Problematik umgeht.

Dann ist der Dreh mit Minderjährigen immer sehr schwierig, vor allem was die Drehzeit und gesetzliche Auflagen betrifft. Zumal Joshio Marlon als Tomasz sowohl Deutsch mit Akzent als auch polnisch sprechen musste. Das hat er dann aber auch mit Unterstützung von einem polnischen Dialogcoach total überzeugend hingekriegt, davon abgesehen, dass Joshio auch so ein absolutes Naturtalent ist.

Das Buch hatte ich in meiner Vorstellung als eine Art Western geschrieben, das dadurch ein weites Landschaftspanorama abdeckt, mit vielen weit auseinanderliegenden, anspruchsvollen Drehorten, vielen Fahr- und Außenaufnahmen und vielen Figuren und Waffeneinsätzen – also insgesamt ein recht hoher Aufwand. Sender und Produktion haben da aber gemeinsam an einem Strang gezogen, und dann hatte ich das Glück, mit einem großartigen Team und einem tollen Ensemble zu arbeiten, die das alles nicht nur möglich gemacht, sondern auch großartig umgesetzt haben.

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