Gespräch mit Charly Hübner

Vivian Bukow (links: Fanny Staffa, mit Charly Hübner) macht sich Sorgen um den gemeinsamen Sohn.
Vivian Bukow macht sich Sorgen um den gemeinsamen Sohn. | Bild: NDR / Christine Schroeder

Den aktuellen Fall erlebt Bukow aus der Perspektive eines Betroffenen. Sein Sohn Samuel ist zusammen mit einem Mitschüler auf Abwege geraten. Wie erlebt Bukow diese schwierige Situation?

Er sieht, dass sein eigenes Kind sich bei einem dubiosen Menschen offenbar gerade wohler fühlt als bei ihm selbst. Bukow empfindet das eher als Schuld denn als Angst, weil er immer alles als seine Schuld betrachtet und insofern ja auch immer Schuldige und Unschuldige finden will. Als das passiert, weiß er, dass er nicht unschuldig ist, kann das aber überhaupt nicht bearbeiten.

Bukow fasst Sami ziemlich hart an und zeigt ihn sogar bei der Polizei an. "Damit er es lernt", heißt es an einer Stelle. Greift er in der Erziehung auf das zurück, was er selbst zu Hause erlebt hat?

Nein, sein Vater war ja anders. Der zwielichtige Vater hat ihm angeboten, bei ihm zu arbeiten, aber Bukow hat sich von ihm abgenabelt und durch seine Berufswahl Ordnung in sein Leben geholt. Es ist einfach seine Denke, dass diese Strafe vielleicht was bringt. Bukow weiß, welche Macht und welche Instrumente die Polizei zur Verfügung hat, und er hofft natürlich, dass das wirkt und sein Kind merkt: „Okay, ab jetzt ist es nicht mehr lustig oder cool, was ich mache, sondern ab jetzt wird es ernst“. Es wirkt aber deshalb nicht, weil Bukow charakterlich an dem Sohn scheitert und der Sohn auch an ihm. Der Junge sehnt sich danach, dass der Vater weich mit ihm umgeht und nicht auf harten Macker macht, was Katrin König ihm ja vorwirft. Ich persönlich finde eigentlich gar nicht, dass Bukow so ein harter Macker ist. Er ist für den Sohn nur – wie für alle anderen auch – schwer zu fassen. Und das ist für Teenager in der Adoleszenz total schwierig. Und wenn so ein Junge dann einen zum Freund hat, der aus einem Trauma heraus zu allen Taten bereit ist, entwickelt der Freund eine größere Zugkraft als das ewige Geheimnis des Vaters.

Keno macht sich mit Samuel auf die Suche nach einem Freund, der bei einer polnischen Familie lebt. Den Ermittlern bietet sich ein tristes Bild des Alltags von Jugendlichen in der Obhut der Behörden. Was läuft falsch?

Es geht die Obacht verloren. Das ist so ein großes System; man versucht, ganz vielen sozialen, soziologischen und kulturellen Aspekten gerecht zu werden und stellt Gelder bereit. Aber wie die dann treuhänderisch verwaltet oder im Alltag eingesetzt werden, dafür geht oft der Überblick verloren, und zwar weil sich dann doch nicht jeder der Beteiligten im Herzen mit der Grundidee dieses Landes verbindet. Das Interessante bei Bukow ist, dass er das für sich gemacht hat, um aus dem Sog des Vaters rauszukommen. Eigentlich hat er das Talent zum Kriminellen, aber dass er Polizist sein darf, dass er Staatsangestellter ist, hat ihm in seinem Leben ein richtiges Fundament geschaffen. Was mit diesen Kindern passiert, ist für ihn eigentlich eine typische Angelegenheit, weil es zu viele Leute gibt, die sich mit der Idee einer Gemeinschaft nur schwer verknüpfen können; immer weniger sogar, weil das System etwas anderes vorgibt. Das System sagt ja: "Setz dich durch gegen alle. Säkulariere dich und werde als Einzelner erfolgreich, erfolgreicher als alle anderen." Auch wenn Bukow ein Einzelgänger ist, glaubt er an die Grundidee der Gemeinschaft, sogar viel mehr als andere in seinem Team.

Je länger die Ungewissheit über Samis Schicksal anhält, umso angespannter wirkt Bukow – und umso ruppiger verhält er sich, besonders Katrin König gegenüber …

Das, was passiert, ist natürlich schlimm und traurig, und wir haben uns auch beim Drehen die Frage gestellt, wie sentimental man da wird, besonders am Ende. Aber man wird nicht sentimental. Bukow ist wütend auf die Umstände, er hat Angst um dieses verlorene Kind, er sorgt sich, dass dieses Kind lost geht mit sich selber, dass es ihm schlecht geht, aber er ist jetzt auch nicht der Mann, der am Ende sagt: "Ach Sami, ich bin so froh, dass du wieder da bist!" Und was die Kollegin angeht, zu der kann er nach der Nummer im letzten Fall natürlich nicht mehr nett sein.

(Das Interview wurde geführt von Birgit Schmitz.)

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