Interview mit Damir Lukačević
Damir Lukačević
Regie und Buch
Damir Lukačević wurde 1966 in Kroatien geboren und studierte Regie und Drehbuch an der dffB (Abschluss 1999). Zu seinen preisgekrönten Kino-(Kurz)filmen, bei denen er sowohl für die Regie als auch für das Drehbuch verantwortlich war, gehören beispielsweise „Fremde Heimat“ (u.a. Bundesfilmpreis in Gold 1996), „Spiel des Tages“ (u.a. Prädikat „Besonders wertvoll“ 1999), „Heimkehr“ (u.a. ver.di Fernsehpreis für die Beste Regie) und „Transfer“ (u.a. Publikumspreis beim Science Fiction Festival Athen 2012, CIVIS Fernsehpreis in der Kategorie Unterhaltung (Fiction) 2014). In Vorbereitung ist der Kinofilm „Ein nasser Hund ist besser als ein trockener Jude“.
Gespräch mit Damir Lukačević
"Dunkler Zwilling" ist bereits Ihr zweiter Film, der um einen Serienmörder kreist. Was fasziniert Sie an diesem Thema?
Ich bin geprägt durch den Jugoslawien-Krieg. Ich habe selbst erlebt, dass Menschen quasi über Nacht zu Mördern werden können und plötzlich ganz anders handeln, wenn sich der gesellschaftliche Rahmen verändert, in dem sie leben. Auch Serienmörder zeigen diese zwei Gesichter. In meiner Beschäftigung mit solchen Tätern ergab sich ein bestimmtes Bild, nämlich, dass diese Menschen durchaus dazu in der Lage sind, ihre Frauen und Töchter zu lieben, während sie gleichzeitig andere Frauen in deren Alter brutalst quälen und umbringen. Erklärungen dafür zu finden, war natürlich weder meine Aufgabe noch mein Interesse, aber es hat mich schon immer interessiert, wieso jemand diese Sucht verspürt, andere zu töten.
Von welchen Fällen haben Sie sich inspirieren lassen?
Vor einigen Jahren gab es den Fall Manfred Seel. Dessen Tochter hat nach seinem Tod Fässer mit Leichenteilen in der Garage gefunden und wurde damit konfrontiert, dass ihr Vater ein Serienmörder gewesen sein muss. Er hatte Kunstgeschichte studiert und spielte in einer Jazzband, war also ein kultivierter Mensch; trotzdem hat er unfassbar grausame Dinge getan. Ein anderer Fall ist Dennis Rader, der sogenannte BTK-Killer. Bei seiner Verhaftung war Rader der Vorsitzende einer christlichen Gemeinde in Kansas, seit dreißig Jahren mit derselben Frau verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder. Aber während er auf der einen Seite dieser seriöse Mensch gewesen war, hatte er über Jahrzehnte hinweg sadistische Verbrechen begangen. Das BTK steht für bind, torture, kill – fesseln, foltern, töten; das war seine Vorgehensweise. Wenn solche Killer gefasst werden und ihr Doppelleben bekannt wird, sind die Menschen, die ihnen nahestehen, immer völlig fassungslos, weil sie den Täter als netten Kerl kennen oder gar als enge oder die engste Bezugsperson.
Was ist für Sie der zentrale Aspekt Ihrer Geschichte?
Für uns steht das No Monsters Here-Phänomen im Vordergrund, die Illusion, dass Menschen, die solche Verbrechen verüben, automatisch Monster sind und von außen kommen müssen. Serienmörder sind wie wir. Dennis Rader hat in einem Gespräch gesagt: „I could switch the gears“: Er konnte innerhalb von Sekunden hin- und herschalten zwischen seiner Rolle als Familienvater und der als Serienkiller. Deshalb wollten wir die Perspektive einer Tochter erzählen, die befürchten muss, dass ihr Vater ein brutaler Mörder sein könnte. Natürlich kann und will sie es nicht glauben, denn es würde alles für sie verändern. Die Figur der Marla in unserem Film muss einen langen Weg gehen. Sie entwickelt sich von einem jungen Mädchen in einer oberflächlich guten Welt, für das alles stimmt, zu einer jungen Frau, die versteht, wie die Welt wirklich funktioniert. Für sie ist das auch das Ende der Unschuld.
Nun gibt es aber noch mehr mögliche Täter in diesem Polizeiruf. Sie spielen mit den Ängsten und Erwartungen der Zuschauer …
Ein anderes Thema, das mich bei meinen Recherchen fasziniert hat, ist die Paranoia, die ausbricht, wenn der Glaube an das No Monsters Here-Phänomen einmal gebrochen ist. Fritz Lang hat das bereits in den Dreißigerjahren in seinem Film M – Eine Stadt sucht einen Mörder mit Peter Lorre gezeigt. Wenn einmal Angst herrscht, verändern sich ganz schnell die Beziehungen. Plötzlich überziehen sich die Leute mit üblen Unterstellungen; Nachbarn, Freunde, Eheleute beargwöhnen und verleumden einander – was es für die Ermittler nicht gerade leichter macht, den oder die wahren Schuldigen zu finden. Die Figuren Elke und Jan Hansen im Film stehen dafür, wie sich eine Gesellschaft verändert, wenn plötzlich im Raum steht, dass ein Serienmörder in der eigenen Stadt frei herumläuft.
Inwiefern erschien Ihnen Ihr Serienmörder-Stoff geeignet für den Rostocker Polizeiruf mit seinem festen Figurenensemble?
Ich bin selbst ein Fan des Rostocker Polizeirufs, weil es darin nie nur um den jeweiligen Fall, sondern immer auch um Beziehungen geht, und mich interessieren immer in erster Linie die Beziehungen zwischen den Figuren. Ein wichtiger Anknüpfungspunkt war natürlich die Tatsache, dass im Rostocker Ermittlerteam mit Katrin König eine Profilerin zur Verfügung steht, die in der Lage ist, die Geschehnisse einzuordnen und die Tatumstände kompetent zu interpretieren. Außerdem konnte ich hier über das Vater-Thema eine Verbindung zwischen Katrin König und Marla herstellen. Von meinem Bruder, der Kommissar ist, weiß ich darüber hinaus, dass es immer auch eine Riesenbelastung für die Polizisten darstellt, wenn ein Mord passiert. Dieses Verbrechen ist nicht nur ein schwerer Verstoß gegen die Rechtsordnung, sondern es ist auch ein Verstoß gegen die Gesellschaft, wie wir sie eigentlich haben möchten, nämlich als einen sicheren Verband von verlässlichen Mitgliedern. Aufgabe der Ermittler ist es, diese Sicherheit wiederherzustellen; zumindest so weit, wie es geht. Dafür sind auch Bukow und König zuständig.
Sie zeigen die beiden aber auch von einer ganz privaten Seite.
Mit der Liebesgeschichte zwischen Bukow und König wollte ich einen Kontrapunkt setzen zu den Monstern und dem Düsteren der Morde. Ich wollte, dass die Beziehung zwischen den beiden Humor und eine Wärme hat und dass sich da etwas entwickelt. Charly spielt das auch so schön, dass er auf sie aufpassen möchte. Katrin König spürt das und weiß es zu schätzen.
An welchen Kriterien orientierte sich die Besetzung der wichtigsten Episodenrollen?
Da es hier um einen oder mehrere Täter mit zwei Gesichtern geht, war es natürlich auch wichtig, vielschichtige Figuren und Darsteller mit einem möglichst breiten Spektrum zu haben. Kern, der von Simon Schwarz gespielt wird, ist ein unauffälliger Typ, aber wir geben ihm von Anfang an auch etwas Skurriles. Wenn er von den Ermittlern befragt wird, spielt er nicht den Netten, sondern bleibt er selbst. Auch Marla gegenüber ist er nicht immer nur der liebe Papi; in einem heftigen Streit mit ihr zeigt er auch seine jähzornige Seite. Simon hatte ich in einem Kurzfilm gesehen, in dem er einen Mann spielt, der seine Tochter entführt. Auch in dieser Rolle steckte viel Gegensätzliches drin, und das hat er so gut gemacht, dass ich ihn gleich als Erstes angesprochen habe. Er hat einfach alle Facetten. Angela Winkler ist eine großartige Schauspielerin. Die verlorene Ehre der Katharina Blum ist für mich einer der besten deutschen Filme. Ich konnte mir Angela sofort gut vorstellen für diese Rolle. Sie schafft es immer, dass man nicht so genau weiß, worauf sie hinauswill. Und das passt wunderbar zu dieser Rolle. An Alexander Beyer gefällt mir, dass er äußerst wandlungsfähig ist. Er hatte auch gleich sehr viele eigene Ideen zu dieser Figur.
Und die junge Emilia Nöth, die Marla verkörpert?
Emilia ist die Tochter von sehr guten Freunden von mir und eine gute Freundin meines Sohnes. Immer, wenn sie da war und etwas erzählt hat, habe ich gesehen, dass sie eine gute Schauspielerin ist. Und ich wollte für diese Rolle keine ausgebildete Schauspielerin, ich wollte eine junge Frau, die einfach sie selbst ist. Emilia war zur Zeit der Dreharbeiten wirklich erst sechzehn. Wir haben sie erst mal eine Casting-Szene spielen lassen, und Emilia hat sie mit einer emotionalen Intensität gespielt, die mich umgehauen hat. Da war mir klar: Wenn ich jemanden habe, der das ganz normale Mädchen geben und trotzdem am Ende diese Entwicklung spielen kann, ist das für den Film ein großer Gewinn.
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