Info-Box: Wie schwierig ist es für Ermittler, Staatsanwälte und Richter zu erkennen, ob Vergewaltigungsvorwürfe zutreffend sind? Warum scheint es für Opfer in vielen Fällen so schwierig zu sein, Gerechtigkeit zu erfahren? Statistisch gesehen kommt es nach Anzeigen wegen sexueller Delikte eher selten zu einer Verurteilung. Möglicherweise ist es bei keinem anderen Strafdelikt so kompliziert, die Tat nachzuweisen. Oft steht Aussage gegen Aussage. Steigt damit das Risiko eines Justizirrtums?
»Manche Geschichten haben keine Helden und kennen keine Gewinner – das gehört in der Primetime nicht zum Alltag. Der Produzent Hubertus Meyer-Burckhardt hatte dem NDR vor einiger Zeit gleich zwei solcher Ideen angeboten. Die Redaktion hat sich dann mit 'Meine fremde Freundin' für den Ansatz entschieden, in dem eine Hauptfigur in einem völlig normalen Milieu zu Unrecht wegen einer angeblichen Vergewaltigung verurteilt wird und an gebrochenem Herzen stirbt. Auf Vorschlag der Redaktion wurden Kathrin Bühlig und Daniel Nocke als Autoren und Stefan Krohmer als Regisseur engagiert, drei renommierte und vielfach preisgekrönte Filmemacher. Sie stehen dafür, dass ein solches Drama nicht plakativ und reißerisch, sondern unprätentiös, präzise und klug von Menschen erzählt, die in unterschiedlicher Hinsicht versagen, jenseits üblicher Heldenschemata.
Dabei sollte kein pseudoaktueller Vergewaltigungsfilm oder ein Event entstehen, der vor dem Hintergrund der Prozesse von Jörg Kachelmann, Andreas Türck oder Gina Lisa Lohfink auf den Skandal setzt, dass hier ein Mann das Opfer und die Frau die Täterin ist und das nötige Bewusstsein für sexuelle Nötigung konterkariert. Sexualisierte Nötigung und Gewalt von Männern sind Realität – mit Tätern aus allen gesellschaftlichen Schichten und jeglicher Nationalität. Von der Frau als Beute, von sexueller Nötigung, Vergewaltigung und Gewalt handeln Mythen und Märchen durch die Jahrhunderte, davon erzählen schon der Raub der Sabinerinnen oder das Buch der Richter im Alten Testament. Gelegentlich taucht dabei auch das Motiv der Falschbeschuldigung auf, wie in der Josefs-Geschichte die Begegnung mit der Frau des Potifar.
Liebe und Lügen, Macht, Ohnmacht, Gewalt und Gier gehören zu den Konstanten im Zusammenleben von Frauen und Männern. Daraus sind literarische Motive geworden und natürlich erzählen auch Filme aus der Perspektive von Opfern und Tätern davon. 'The Accused' mit Jodie Foster, 'Extremities' mit Farah Fawcett, 'To kill a Mockingbird' mit Sidney Poitier, 'Irreversible' von Gaspar Noe, 'Der freie Wille' von Matthias Glasner, 'Es war einer von uns' von Kai Wessel oder zuletzt 'Elle' mit Isabelle Huppert sind bekannte Beispiele. Wir wollen mit 'Meine fremde Freundin' vor allem eine Charakterstudie über menschliche Verfehlungen in einem alltäglichen Milieu ohne Stereotype in der Figurenzeichnung zeigen – differenzierte Psychogramme von Menschen mit ihren Abgründen und Irrwegen. Stefan Krohmer hat das Drama mit exzellenten Schauspielern besetzt. Der unsympathische Büro-Macho Lehmann wird von Hannes Jaenicke gespielt, der in den letzten Jahren vor allem als Umweltaktivist und Doku-Reporter hervorgetreten ist. Hannes Jaenicke zeigt hier, dass er auch ein hervorragender Schauspieler ist – und was für einer. Auch Ursula Strauss ist eine Wucht. In Deutschland kaum bekannt, ist sie in Österreich ein mit allen bedeutenden Filmpreisen ausgezeichneter Star, die den Wahnsinn ihrer Figur mit einer großen Ambivalenz ausstattet. Auch Valerie Niehaus als Andrea Bredow und starke Mitte der Geschichte zeichnet ihren Charakter mit vielen Facetten als herzliche und hilfsbereite Kollegin.
Aus dieser Zusammenarbeit ist ein intensiver und ebenso berührender wie beunruhigender NDR-Film entstanden, der wohl für Gesprächsstoff sorgen wird. Manche Geschichten haben keine Gewinner und kennen keine Helden – wir denken aber, dass 'Meine fremde Freundin' gerade deshalb ein Gewinn für unsere Zuschauerinnen und Zuschauer ist.«