»Wir eröffnen heute die mündliche Verhandlung im Verfahren der Koalition von 31 Klägerstaaten des globalen Südens gegen die Bundesrepublik Deutschland. Zum ersten Mal wird vor dem Internationalen Gerichtshof darüber verhandelt, ob Staaten grundsätzlich die Pflicht haben, gegen den Klimawandel vorzugehen.
Nach Auffassung der Kläger hat die Bundesrepublik Deutschland durch Abschwächung und Blockade europäischer Klimaschutzvorgaben ihre völkerrechtliche Pflicht verletzt, einer Erhöhung der weltweiten CO2-Konzentration entgegenzuwirken. Und die Kläger fordern aufgrund der daraus abgeleiteten Mitverantwortung anteilig einen Schadensersatz von jährlich 60 Milliarden Euro im ersten Schritt. Die Kläger sehen die Grundlage dafür in der Anerkennung eines übergeordneten Rechts – dem Recht der Natur auf Unversehrtheit. Aus dem Artikel 6 der UN-Konvention, dem Recht auf Leben, kann, so die Kläger, ein solches übergeordnetes Recht abgeleitet werden. Denn ohne Zugang zu Wasser, ohne saubere Luft zum Atmen, ohne eine in den Grundbedürfnissen abgesicherte Existenz sei ein Leben in Würde nicht möglich.
Doch lassen sich tatsächlich aus den Menschenrechten Pflichten für die Staaten hinsichtlich des Umgangs mit dem Klimawandel ableiten? Die Bundesrepublik verneint dies. Und in der Tat: Es ist nicht Aufgabe dieses Gerichts, anstelle von Regierungen politische Entscheidungen zu fällen. Ein Präzedenzurteil würde eine Klagewelle mit Milliardenforderungen nach sich ziehen und einen massiven Eingriff in die Souveränität der Länder mit hohen CO2-Emissionen darstellen. Andererseits: Verweigern wir uns einem Urteil, dann lassen wir die Klägerländer mit ihrem Leid und mit ihrer Not allein. In den kommenden Tagen erhalten nun die Parteien dieses Verfahrens Gelegenheit, Beweis zu führen. Schwerpunkt wird dabei die deutsche und die europäische Klimaschutzpolitik aus den Jahren 1998 bis 2020 sein.«