So., 27.10.24 | 23:35 Uhr
Das Erste
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„Die Unvereinigten Staaten“ – Politikwissenschaftler Stephan Bierling zum US-Wahlkampf:
Kamala Harris und ihr republikanischer Gegner Donald Trump pumpen Millionen Dollar in Wahlwerbung, um die letzten unentschlossenen Wähler im US-Präsidentschafts-Wahlkampfs zu erreichen. In den sogenannten Swing States, allen voran Pennsylvania, kommt es auf jede einzelne Stimme an. Doch beide Lager stehen sich unversöhnlich gegenüber. Nur wenige Wähler sind bereit, das Lager zu wechseln. In seinem Buch „Die Unvereinigten Staaten“ untersucht der Politikwissenschaftler Stephan Bierling, wie die Polarisierung alle Bereiche der amerikanischen Gesellschaft erfasst hat, die Medien, die politischen Institutionen und die Menschen selbst. Das Prinzip der Checks and Balances, das in der US-Politik immer für Ausgleich und Kompromisse gesorgt hat, sagt Bieling, greift nicht mehr. Stattdessen schürt insbesondere der ehemalige Präsident Donald Trump Hass auf den gegnerischen Block, verachtet offen demokratische Werte. Diese Haltung gefährdet die US-Demokratie, sagt Daniel Benjamin, Journalist und Leiter der American Academy in Berlin. Benjamin fürchtet, dass ein Sieg der Kandidatin Kamala Harris Gewaltausbrüche im republikanischen Block auslösen könnte. Und dass Trump, falls er Präsident wird, seine Ankündigung wahrmacht und mit Militär und der US-Nationalgarde gegen seine politischen Gegner vorgeht. Stephan Bierling und Daniel Benjamin sind sich einig: Die Wahl 2024 ist eine Schicksalswahl, für Amerika und die ganze Welt.
Autorin: Hilka Sinning
Fenster zur Welt: Start des Dokumentar- und Animationsfilmfestivals DOK Leipzig: Am kommenden Montag beginnt das 67. Dokumentarfilmfestival in Leipzig. Zwei Filme stechen heraus: „Maydegol“ bekam vor zwei Jahren auf dem DOK.fest München einen Preis für das beste Dokumentarfilmprojekt und läuft jetzt in der Reihe „Young Eyes“. Die iranische Künstlerin Sarvnaz Alambeigi erzählt darin die Geschichte einer junge Afghanin, die mit ihrer Familie im Exil im Iran lebt und davon träumt, Profiboxerin zu werden. „Marching in the Dark“ des indischen Regisseurs Kinshuk Surjan beschreibt das Schicksal einer jungen Witwe. Ihr Mann, ein Landwirt, hat sich das Leben genommen, sie bleibt mit zwei Kindern und hohen Schulden zurück. Es ist kein Einzelschicksal: In Indien haben innerhalb von zwanzig Jahren mehr als 400.000 Bauern aus finanziellen Gründen Suizid begangen, staatliche Hilfe für deren Frauen und Kinder gibt es nicht. Sowohl im Iran als auch in Indien ist es nicht leicht, Filme über politische Missstände zu machen. Alambeigi und Surjan finden in ihren Dokumentationen einen überzeugenden künstlerischen Ansatz, sich den schwierigen Lebenssituationen junger Frauen in diesen Ländern zu nähern.
Autorin: Petra Böhm
Alexej Nawalnys Vermächtnis: Autobiografie „Patriot": „Mir war von Anfang an bewusst, dass ich lebenslang im Gefängnis sitzen werde – entweder für den Rest meines Lebens oder bis zum Lebensende dieses Regimes.“ Das schreibt Alexej Nawalny im Epilog seiner Autobiografie, die in dieser Woche weltweit erscheint und schlicht „Patriot“ heißt. Wenige Wochen später ist er tot. Vergiftet nach Erkenntnissen des russischsprachigen Online-Mediums „The Insider“, das Hunderte offizieller Behördendokumente ausgewertet hat. Über drei Jahre lang saß Nawalny zuvor im Gefängnis, zuletzt im sibirischen Straflager Nr. 3 „Polarwolf“. Für eine halbe Stunde am Tag erhielt er einen Bleistift und durfte schreiben. „Gefängnis-Zen“ nennt Nawalny seine Versuche, unter den Bedingungen von strenger Isolation und Folter die Würde und auch den Humor nicht zu verlieren. Die hier entstandenen Notate, zusammen mit früheren Aufzeichnungen über seine Jugend in der Sowjetunion, die Illusionen einer demokratischen Transformation unter Gorbatschow und Jelzin, über seine Familie und über seinen Weg zum bekanntesten Oppositionellen Russlands, sind jetzt Zeugnis des Muts und der Kühnheit eines Menschen, der immer wieder wagte, das System Putins und seiner korrupten Oligarchen der Lächerlichkeit preiszugeben. Was diesen Mann so gefährlich machte, dass Putin ihn gleich zweimal vergiften ließ, und wie es für die Opposition in Russland nach seinem Tod weitergeht, darüber spricht "ttt" mit der Gründerin der Menschenrechtsorganisation „Memorial“ Irina Scherbakowa, mit Nawalnys Mitstreiter Leonid Wolkow und mit Igor Sadreev, dem Regisseur des Films „Becoming Nawalny“.
Autoren: Jens-Uwe Korsowsky, Rayk Wieland
Comeback nach 16 Jahren: The Cure veröffentlichen neues Album: Das darf man wirklich mal eine „Erscheinung" nennen: Wir reiben uns die Augen. Wenn am 1. November das neue Album von The Cure veröffentlicht wird, ist das nichts weniger als ein Wunder – an das niemand mehr geglaubt hat. 16 Jahre hatte es kein neues Album von The Cure gegeben. Einer Band, die in der ersten Phase ab Gründung 1979 zunächst jährlich makellose Musik herausbrachte. Manie und Depression – keine andere Band hat starke Gefühlsschwankungen so extrem in Musik umgesetzt wie The Cure. Mit ihrem neuen Album schließen sie an ihr düsterstes Meisterwerk „Disintegration" an. 1989 kam das heraus und der Schmerz war formvollendet: die dunkel wabernden Gitarren, das zarte Gesicht des Sängers Robert Smith, der auf dem Cover aus einem vertrockneten Blumenmeer aufblickte. Die Risse schließlich, die auf der Plattenhülle eingraviert waren und die man nur sah, wenn man die Pappe schräg gegen das Licht hielt. Das alles strahlte die morbide Stimmung von Vergänglichkeit und Schwermut aus, an deren Perfektionierung The Cure arbeiteten. Auf dem neuen Album „Songs of a Lost World" verarbeitet Robert Smith auch den Tod seines Bruders und weiterer Familienmitglieder. Nicht zufällig erscheint es an Allerheiligen, dem christlichen Fest, an dem Menschen auf den Friedhof gehen und der Toten gedenken. Es beginnt mit den Zeilen „This is the end of every song that we sing" und schließt mit dem "Endsong", herzzerreißend komponiert und gesungen. Robert Smith hat nun gleich zwei weitere neue Alben angekündigt, die bald folgen sollen. Das Interview und erste Hörproben vom neuen Album in "ttt".
Autor: Andreas Krieger
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