SENDETERMIN So., 11.02.24 | 23:35 Uhr | Das Erste

Mit Humor gegen Hitler – Wiederentdeckung des deutsch-jüdischen Autors Curt Bloch

Wiederentdeckung des deutsch-jüdischen Autors Curt Bloch | Video verfügbar bis 11.02.2025 | Bild: ARD / ARD Screenshot

Es gab jeweils nur ein Exemplar: 95 Magazine, schmale Hefte, in Postkartengröße, voller widerständigem Humor. Dabei waren diese Magazine des deutsch-jüdischen Autors Curt Bloch schon Widerstand an sich: gegen die Nationalsozialisten, das erzwungene Leben im Untergrund, die ständige Angst, im holländischen Versteck. Produziert hat sie Curt Bloch von 1943 bis 1945. Danach hat er die Hefte binden lassen und mit in die USA genommen. Hier hat er mit seiner Frau Ruth, die Auschwitz überlebt hat, ein neues Leben aufgebaut, Familie gegründet. Erst jetzt werden die Magazine der Öffentlichkeit gezeigt, in einer Ausstellung im jüdischen Museum in Berlin: „Mein Dichten ist wie Dynamit“.

Was gibt es aus der Geschichte zu lernen? Diese Frage steht heute lauter im Raum als sonst. "Mein Vater wollte allen unterdrückten Menschen Hoffnung spenden - egal wo und wann", erzählt Simone Bloch. Sie hat dafür gesorgt, dass der Lebenstraum ihres Vaters in Erfüllung geht. Dass sein Widerstands-Magazin in Miniaturformat endlich groß raus kommt. Ausgerechnet jetzt ist seine Abrechnung mit den Nazityrannen zu sehen. Wirkt sein boshaft-beißendes Dichten der letzten Kriegsjahre besonders wie Dynamit. Dieses Vermächtnis des Deutsch-Juden Curt Bloch ist für Simone Bloch keine Holocaust- sondern eine zeitlose Geschichte: "Es geht um Leben im Verborgenen, im Versteck, egal wo. Jeder unfreie Menschen ist gemeint."

"Man muss Mut haben, um komisch zu sein!"

1940, als die Nazis Holland überfallen, ist der Dortmunder Curt Bloch selbst in seinem Exil nicht mehr sicher. Er taucht unter in Enschede. Seine Angst, entdeckt zu werden, ist groß. Doch Bloch entwickelt eine kreative Form, ihr Herr zu werden: das "Unterwasser-Kabarett". Drei Jahre gibt er jeden Samstag dieses Untergrund-Magazin heraus. Eine satirische Wochenschau, die die Lügen der Nazis entlarvt. Bloch ist Jurist, hat einen ausgeprägten Sinn für Wahrheit, Gerechtigkeit … und Humor! Seine Ehefrau Ruth erinnert sich: "Er hat ja durch eine schwere Zeit müssen und hat immer großen Humor gehabt. Immer." "Man muss Mut haben, um komisch zu sein", sagt Tochter Simone Bloch. "Man darf den Mut nicht verlieren", ergänzt Ruth Bloch.

Nach dem Krieg lernt Curt Bloch seine jüngere Frau Ruth kennen. Zusammen wandern sie in die USA aus. Werden Eltern. Schauen nach vorn und selten zurück. Ruth Bloch:"Hier haben die zum Buch gebunden Hefte von Blochs 'Unterwassercabaret' gut 70 Jahre gestanden - bis sie ins Museum nach Berlin gingen. Und für die Ausstellung restauriert wurden. (...) 

Curt Bloch bringt Unsagbares zu Papier

"Irgendetwas in der Nixon-Regierung hat ihn an Goebbels erinnert. An eines seiner Gedichte, auf das er stolz war und das wir unbedingt hören sollten. Aber alles, was wir verstehen konnten, war: ……
Nachdem er’s uns ins Englische übersetzt hatte, war der Rhythmus, der ganze Zauber weg. Mir war klar, dass das irgendwie bedeutsam ist, aber ich konnte es noch nicht verstehen", erzählt Simone Bloch. Die Amerikanerin braucht eine Weile, bis sie den Humor ihres deutschen Vaters versteht, der Goebbels als "Propagandahinkebein" bezeichnet und als "Doktor des Vielversprechens" entlarvt. Nur langsam erkennt sie, dass ausnahmslos ist, was ihr Vater aus dem ausnahmslos tragischen Holocaust gemacht hat. Aber wie die meisten hat auch er nach 1945 kaum davon gesprochen. "Wenn mich jemand fragte was hast du denn durch den Krieg gemacht", erzählt Ruth Bloch. "Dann haben wir immer, …das kann man gar nicht erzählen. Was ich in Auschwitz gemacht und  gesehen habe und in den anderen Konzentrationslagern, in die Sie mich geschickt haben. Das kann man nur verstehen, wann  man da gewesen ist. das kann man nicht erzählen. Wir waren wahrscheinlich, mein Mann und ich, wir waren zu nahe an der Geschichte. Und das war unser Leben. Aber es war Simone, die das nicht lassen konnte, die sagte: das muss in die Welt!"

493 Gedichte gegen das Vergessen

Wie ihr Vater gibt Simone nicht auf. Nachdem sich erst niemand für seine Geschichte interessiert, versucht sie diese nun mit allen Mitteln zu erzählen. Weltweit. Parallel zur Ausstellung hat Simone eine Website entwickeln lassen (https://curt-bloch.com/). Dort kann nun jeder die Magazine mit 493 Gedichten ihres Vaters in mehreren Sprachen lesen und verstehen. Auch, der "Freiheit Fackellicht". Ein flammender Protest gegen die Unterdrücker aus Deutschland, wo die Blochs ihre Original-Ausgabe bewusst hin geschenkt haben.   

Witwe Ruth Bloch erinnert sich: "Es war ein deutscher Mann, der von den Deutschen untergetaucht ist, das geschrieben hat, in der Zeit, wo er untergetaucht war, das muss in Deutschland bleiben. Da muss man von lernen. Und die andere Welt natürlich muss auch davon lernen." Was tun gegen Propaganda? Wie vermeiden, dass aus Vorurteilen immer wieder auf dieser Welt Todesurteile werden? Aus solchen drängenden Menschheitsfragen hat Curt Bloch seine Literatur gemacht. Immer wieder wendet sch Curt Bloch in seinen Gedichten an die Deutschen, die von der NS-Propaganda hinters Licht geführt und zu Tätern und Mitläufern wurden.
...die Gedichte An seine deutschen Leser, die jetzt erstmals zitiert.

Gedicht - an meine Deutschen Leser
Vielleicht kommen euch die Gedichte,
Die ich in eurer Sprache schrieb
In spätren Zeiten zu Gesichte
Und täten sie’s, wär mir’s recht lieb.
(„An meine deutschen Leser“, Heft 23, Juni 1944)

„Mein Dichten ist wie Dynamit“
9.2.–26.5.2024 im Jüdisches Museum Berlin

(Beitrag: Sylvie Kürsten)

Stand: 11.02.2024 19:54 Uhr

0 Bewertungen
Kommentare
Bewerten

Kommentare

Kommentar hinzufügen

Bitte beachten: Kommentare erscheinen nicht sofort, sondern werden innerhalb von 24 Stunden durch die Redaktion freigeschaltet. Es dürfen keine externen Links, Adressen oder Telefonnummern veröffentlicht werden. Bitte vermeiden Sie aus Datenschutzgründen, Ihre E-Mail-Adresse anzugeben. Fragen zu den Inhalten der Sendung, zur Mediathek oder Wiederholungsterminen richten Sie bitte direkt über das Kontaktformular an die ARD-Zuschauerredaktion: https://hilfe.ard.de/kontakt/. Vielen Dank!

*
*

* Pflichtfeld (bitte geben Sie aus Datenschutzgründen hier nicht Ihre Mailadresse oder Ähnliches ein)

Kommentar abschicken

Ihr Kommentar konnte aus technischen Gründen leider nicht entgegengenommen werden

Kommentar erfolgreich abgegeben. Dieser wird so bald wie möglich geprüft und danach veröffentlicht. Es gelten die Nutzungsbedingungen von DasErste.de.

Sendetermin

So., 11.02.24 | 23:35 Uhr
Das Erste

Produktion

Norddeutscher Rundfunk
für
DasErste