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Im Wahn – Amerika am Abgrund

US-Präsident Donald Trump
US-Präsident Donald Trump | Bild: BR

Noch vier Wochen bis zum Showdown der Wahl in den USA. Demonstranten und Polizei liefern sich Straßenschlachten. Der Präsident treibt die Eskalation voran, um sich als Law-and-Order-Mann zu inszenieren. Er schickt anonyme Einheiten in die Städte. Er will das Militär auf Demonstranten hetzen. Und vor ein paar Tagen weigerte er sich in der TV-Debatte mit Joe Biden sogar, sich von ultrarechten Milizen wie den Proud Boys zu distanzieren. Auf die Frage des Moderators ("Sind Sie bereit, weiße Rassisten und Milizen zu verurteilen?") antwortete Trump: "Proud Boys – haltet euch zurück! Und haltet euch bereit!"

Brennende Barrikaden
Amerika brennt. Brennende Barrikaden bei einer Demonstration. Trumps Werk? Oder ist der Präsident nur Symptom eines dysfunktionalen Systems? | Bild: BR

Die Proud Boys und andere schwerbewaffnete rechte Milizen werden sich bereithalten für den Fall, dass Donald Trump die Wahl verliert. Zwei führende deutsche Journalisten analysieren jetzt in einem Buch und einer Fernsehdokumentation, was diese Wahl für die USA bedeutet. "Es haben uns Menschen in die Kamera gesagt, unter Nennung ihrer Namen: 'Wenn Donald Trump nicht wiedergewählt wird, dann wollen wir einen Bürgerkrieg!'", sagt Klaus Brinkbäumer. Er und Stephan Lamby haben über ein Jahr lang recherchiert, mit vielen Insidern gesprochen und kommen zu dem Ergebnis: In Trumps Amerika kann man beobachten, wie es ist, wenn eine Demokratie stirbt.

Kein Wort über das Corona-Versagen der Regierung

"Seit Amtseinführung hat man ihm nachgewiesen, dass er 18.000 bis 20.000 mal die Unwahrheit gesagt oder die Wahrheit verzerrt oder irreführend dargestellt hat", sagt Stephan Lamby. "Wenn eine Gesellschaft – auch eine politische Gesellschaft – dem Amtsinhaber das durchgehen lässt, dann stirbt da ein Stück Demokratie."

Hubschrauber vor dem Weißen Haus in Washington DC
Machtzentrale der Welt | Bild: BR

Jetzt ist der Wahlkampf erst einmal gestoppt. Trump liegt mit Covid-19 im Krankenhaus. Gerade vom Thema Corona hatte er mit seinen martialischen Sprüchen zur inneren Sicherheit abzulenken versucht. Am besten kein Wort über 200.000 Corona-Tote in den USA, kein Wort über das Versagen der Regierung. Stattdessen hetzte er gegen die Black Lives Matter Demonstranten. Sie seien eine Bedrohung von Leben und Gesundheit der Bürger.

Es wird ein Verteidigungskampf geführt

Das ist die Realität für schwarze Menschen in den USA: So wie Jacob Blake im August sieben Mal in den Rücken geschossen wurde, während seine Kinder im Auto saßen, so wie George Floyd im Mai von Polizisten getötet wurde, so werden Schwarze deutlich häufiger Opfer von Polizeigewalt als Weiße. Dagegen gehen Millionen in den USA seit einem halben Jahr auf die Straße. Donald Trump erkannte darin seine Chance: Er machte die Demonstranten zum Feindbild einer Invasion von Anarchisten und Plünderern, um Ängste in der weißen Bevölkerung zu schüren. 

Ein mittelalter weißer Mann gibt ein Fernsehinterview
Dokumentarfilmer Stephan Lamby | Bild: BR

"Die Republikaner stehen für das weiße Amerika, das schrumpft", sagt Brinkbäumer. "Migration verändert das Land und es ist klar, dass das weiße Amerika in zwanzig, dreißig Jahren nicht mehr die Mehrheit dieser Gesellschaft sein wird. Das steht längst fest. Es ist ein Verteidigungskampf, der da geführt wird und er wird bitter geführt."

"Sie wollen das Ende Amerikas"

Wie kann es sein, dass ein Präsident damit durchkommt, dass er lügt, dass er in laufende Gerichtsverfahren eingreift, droht, die Verfassung zu brechen? Donald Trump inszeniert sich als Popstar der Rechten. Er nutzt die Kulisse am Mount Rushmore, um einen Kulturkampf einzuläuten. Amerika werde von einem linksfaschistischen Mob bedroht und Joe Biden würde dem die Straße überlassen. "Ihr Ziel ist nicht ein besseres Amerika", sagt Trump. "Sie wollen das Ende Amerikas."

Schwarzes Buchcover mit Roter Aufschrift "Im Wahn"
Buch "Im Wahn" | Bild: C.H. Beck

"Biden wird geachtet, Trump wird verehrt", beschreibt Lamby den Unterschied. "Wir waren bei einer Wahlkampfveranstaltung, das werde ich nicht vergessen: das war Ende Januar. Es war um den Gefrierpunkt, an einem Badeort an der Atlantikküste, südlich von Atlantic City. An einem Dienstagabend um 19 Uhr sollte die Veranstaltung von Trump beginnen. Am Sonntagvormittag haben sich die ersten Menschen mit Schlafsäcken versammelt, um auf Donald Trump zu warten, bei null Grad. Ich glaube nicht, dass Menschen für Joe Biden das tun würden. Und ich kenne so etwas auch nicht aus Deutschland."

Die USA stehen vor einer historischen Wahl

Die Demokraten haben viel dazu beigetragen, dass die Wahl so prekär ist. Sie haben einen 77-jährigen Mann ohne jedes Charisma ins Rennen geschickt, der seit 47 Jahren in der Politik ist und im Wahlkampf weitgehend hilflos zum Ziel der wütenden Angriffe und des Spotts von Donald Trump wurde. Im Moment führt Biden in den Umfragen. Doch Donald Trump hat schon angekündigt, dass er eine Niederlage nicht akzeptieren werde. "Wenn das weitergeht, also wenn Donald Trump in dem Kurs bestätigt oder wenn er knapp abgewählt wird und dann seine Söhne übernehmen – dann kann das auch sein, dass Donald Trump eine Vorstufe gewesen sein wird und dass es dann erst richtig losgeht", sagt Klaus Brinkbäumer.

Ein mittelalter, weißer Mann gibt ein Fernsehinterview
Journalist Klaus Brinkbäumer | Bild: BR

Die USA stehen vor einer historischen Wahl. Nur eine deutliche Niederlage würde Trump wohl aus dem Amt entfernen. Gewinnt er, geht die "amerikanische Katastrophe", die Klaus Brinkbäumer und Stephan Lamby erkennen, weiter. Sollte er knapp verlieren, dann drohen heftige juristische Auseinandersetzungen und bürgerkriegsähnliche Zustände. Keine guten Aussichten für Amerika und die ganze Welt.

BUCH: 
Klaus Brinkbäumer / Stephan Lamby: "Im Wahn. Die amerikanische Katastrophe", C.H. Beck Verlag

FERNSEHEN: 
"Im Wahn – Trump und die Amerikanische Katastrophe", 26. Oktober um 22.50 Uhr im Ersten

Autor: Joachim Gaertner

Stand: 26.10.2020 11:05 Uhr

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