SENDETERMIN So., 19.11.23 | 23:35 Uhr | Das Erste

Denis Scheck kommentiert die Top Ten Sachbuch

Denis Scheck kommentiert die Top Ten Sachbuch | Video verfügbar bis 19.11.2026 | Bild: DasErste.de

Platz 10) Philip Banse und Ulf Buermeyer: "Baustellen der Nation"

Zwei kluge woke Berliner Podcaster identifizieren in diesem Orientierung stiftenden Sachbuch acht Problemfelder, die von der Politik dringend angegangen werden müssen: unsere marode Infrastruktur, die verpennte Digitalisierung, die entgleiste Deutsche Bahn, die lahme Windenergie, die immer größere soziale Ungleichheit, unser Bildungs-Fiasko, die unfaire Rente und die Deutschland-Bremse Föderalismus. Auch wenn kein einziger origineller Gedanke in diesem Buch steckt - alles vollkommen richtig: Willkommen in der Welt der dicken Bretter!

Platz 9) Herfried Münkler: "Welt in Aufruhr"

Die bipolare Welt des West-Ost-Gegensatzes existiert nicht mehr. Die neue Weltordnung wird dem Historiker Herfried Münkler zufolge multipolar sein: Zu seinen Big Five zählt Münkler neben China, den USA und Russland noch Indien und die EU. Wenn letzteres mal nicht zu optimistisch ist ….  Immerhin beschreibt Münkler die Europäische Union mit den Worten, die früher für die alte Bundesrepublik galten: "Wirtschaftlich ein Riese, politisch ein Zwerg."

Platz 8) Guido Maria Kretschmer: "19521 Schritte"

Guido Maria Kretschmer ist ein sympathischer Schnuffel und ein charmanter Plauderer. Aber: Stellen wir uns eine Welt vor, in der nur noch Menschen Bücher schreiben, die etwas zu sagen haben. Es wäre eine Welt ohne Bücher von Guido Maria Kretschmer. "You may say I’m a dreamer – but I’m not the only one."

Platz 7) Brianna Wiest: "101 Essays, die dein Leben verändern werden"

Neben einigem nebulösem Coaching-Schmu liefern Wiests meist kluge Kurzessays tatsächlich manch verblüffende Einblicke in unser psychisches Betriebssystem und motivieren hauptsächlich durch ihren Appell an die Kraft der Selbstwirksamkeit.

Platz 6) Matthew Perry: "Friends, Lovers and the Big Terrible Thing"

Dass man eine Million Dollar die Woche verdienen, Julia Roberts als Freundin haben und doch todunglücklich sein kann, erfährt man aus dieser Autobiographie eines suchtkranken Serienschauspielers, der vor kurzem gestorben ist. Ein trauriges Schicksal. Aber auch ein wegen seiner Inkohärenz, Ich-Bezogenheit und seines erzählerischen Unvermögens einfach schlechtes Buch.

Platz 5) Dirk Oschmann: "Der Osten: eine westdeutsche Erfindung"

Eine Kampfschrift, die in ihrem nachvollziehbaren Furor zwar ein wenig überzieht und die sehr reale Ausländerfeindlichkeit des Ostens verharmlost, im Kern aber stichhaltig ist. Höchste Zeit, endlich auch über den für Deutschland viel kulturprägenderen Gegensatz zwischen Nord- und Süddeutschland nachzudenken.

Platz 4) Ewald Frie: "Ein Hof und elf Geschwister"

Vom schlagartigen Verschwinden einer über tausend Jahre dominierenden Daseinsform, des deutschen Bauernstands, erzählt Ewald Frie ebenso klug wie berührend am Beispiel seiner eigenen Familiengeschichte.

Platz 3) Axel Hacke: "Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten"

Um die Kunst, sich selbst zu verändern, wenn man so möchte: seine Grundeinstellungen neu zu justieren, geht es in Axel Hackes neuem Buch. Wie besiegt man die Furcht und gelangt zur heiteren Seelenruhe? "Erwarte kein Rezept, keine Pillen, keine Heiterkeitstherapie", schreibt Hacke. "Hoffe nicht auf andere. Sondern schau dir selbst das Leben an und beobachte, was es mit dir gemacht hat und weiter macht und du mit ihm machen willst." Wie man Schweres leicht nimmt: aus diesem Buch lässt es sich lernen.

Platz 2) Britney Spears: "The Woman in Me"

Die Rezeption dieses intellektuell erschütternd armen Buchs durch das, was vom  deutschen Feuilleton noch übrig ist, spricht Bände. Britney Spears erzählt eine amerikanische Horrorstory: die Geschichte der Entmündigung und Ausbeutung eines der berühmtesten Menschen auf diesem Planeten. Aber diese ja an sich durchaus spannende Geschichte ertrinkt in Boulevard-Larifari, Promiklatsch und Sätzen auf dem Reflexionsniveau von:  "Uns Künstlerinnen sind unsere Haare echt wichtig." Liebe Frau Spears, lassen Sie mich aus Erfahrung sagen: There’s intelligent life after hair.

Platz 1) Florian Illies: "Zauber der Stille"

Entlang der vier Elemente Feuer, Erde, Wasser Luft schreibt Florian Illies in diesem ebenso gelehrten wie elegant erzählten Bild über das Leben, die Kunst und die Nachwirkung Caspar David Friedrichs, dem Maler der Sehnsucht. Ein hinreißendes Buch.

Stand: 19.11.2023 17:00 Uhr

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