So., 09.10.22 | 23:50 Uhr
Das Erste
Das Geheimnis der Mönche
Thomas Hürlimann über eine abenteuerliche Jugend im Schweizer Internat
Man erbt Kutte und Sandalen des Vorgängers, wohnt in einem Steinlabyrinth zwischen eisbedeckten Gipfeln und sieht von der Welt draußen nichts mehr als die österreichische Exkaiserin Zita samt tattrigem Gefolge, einmal im Jahr: So stellt sich plötzlich das Leben dar für den elfjährigen Arthur Goldau, der Anfang der 60er Jahre ins nur fast erfundene Klosterinternat Maria zum Schnee eingeliefert wird. Aber plötzlich ist von irgendwo Bob Dylan zu hören, die Erzählung eines sagenhaften Schatzes macht die Runde, und erste konspirative Treffen werden arrangiert.
"In einem der zahllosen Schränke tickte eine Uhr – vielleicht war sie eingeschlossen, weil der Heilige nur die Ewigkeit gelten ließ. Aber dann bimmelte es kurz. Viertel nach. Offenbar wurde selbst ein Heiliger die Zeit nicht los. Wir sahen durch ein hohes Fenster in die Nacht hinaus, wo es unaufhörlich schneite, und auf einmal spürte ich ein leises Schnauben in meinem Nacken. Ich drehte mich langsam um, und, mein Gott, er war da, herangeschwebt: der Heilige!"
Elegant, spielerisch, mit ziemlich bösem Witz, profunder Kenntnis klösterlicher Verhältnisse wie historischer Hintergründe und einem zuverlässigen Gespür für den Jargon und die heißen Träume in Rudeln eingesperrter Pubertierender erzählt uns Thomas Hürlimann eine Schauergeschichte, die gleichzeitig Jugendbuch, Kriminalroman, Heimatliteratur und Liebesgeschichte ist: Das muss ihm erst mal einer nachmachen! Ein großes Vergnügen!
Thomas Hürlimann, geboren 1950 in der Schweiz, studierte in Zürich Philosophie und wurde bekannt als Autor von Theaterstücken. Er ist für sein Werk u.a. mit dem Joseph-Breitbach-Preis und dem Thomas-Mann-Preis ausgezeichnet worden.
Stand: 14.04.2023 14:16 Uhr
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