So., 26.03.23 | 23:35 Uhr
Das Erste
Druckfrisch-Musiker des Monats: Soap&Skin
Selten haben wir uns so über eine "Musikerin des Monats" gefreut wie jetzt im März 2023: Die Wiener Ausnahmekünstlerin Soap&Skin hat in der jüngsten Vergangenheit vor allem am Film "The Devil’s Bath" gearbeitet (in der Doppelrolle als Hauptdarstellerin und Musikerin). Ihr exklusiver Auftritt in "druckfrisch" war für sie so etwas wie die Rückkehr auf die Bühne. Der Film soll in Cannes Premiere haben. In "druckfrisch" singt sie auf ihre beeindruckende Art "Lost" ein angemessen trauriges Stück Musikkunst, das in den 10 Jahren seiner Existenz nichts an Eindrücklichkeit verloren hat und auf einer noch viel älteren Melodie von Franz Schubert beruht. Übrigens hat sie keine Sekunde gezögert, als wir zögerlich angefragt haben, ob sie uns die Ehre geben und eine Minute in "druckfrisch" auftreten würde.
Begonnen hatte die Sendung ebenfalls filmisch. Wir haben uns von Lalo Schifrin die Titelmusik des 1968er Steve McQueen-Klassikers "Bullit" ausgeliehen. Ein aus heutiger Sicht unfassbarer Film, in dem es genau eine kitzekleine Rolle für eine Frau gibt, die einmal mit dem schweigsamen Machohelden Steve im Bett liegen darf, dafür enthält er die damals längste Autoverfolgungsfahrt mit dem legendären Ford Mustang, bei der dauernd der gleiche VW-Käfer im Bild überholt wird und ein einziges Auto handgezählte 17 Radkappen verliert. Dazu hat uns Aron 2023 einen Vorspann gezaubert, wie ihn in seiner Multi-Split-Screen Schönheit auch der junge Norman Jewison für "Thomas Crown ist nicht zu fassen" nicht schöner hinbekommen hätte.
Dann geht es aus Chinatown direkt nach Wien. Da traf es sich gut, dass der New Yorker Liedermacher William Fitzsimmons, der bei Grönemeyers "Grönland"-Label erscheinen darf, sich an seine Jugend erinnert hat und dass er in dieser immer Billy Joel gehört hat, weshalb er nun dessen Hymne "Vienna" gecovert hat. "For many years it’s been a song that can always make me feel just a little bit better no matter what." – Genauso ging es uns im Schneideraum … und selten wurde das Wörtchen "away" schöner verfilmt.
Wir bleiben nahe am Balkan, denn lange Zeit haben wir um das eigenwillige Bandprojekt "Beirut" von Zach Gordon einen ästhetischen Bogen gemacht. Beim Erscheinen kam uns sein "Gulag Orkestar", für das der Amerikaner in Albuquerque osteuropäische Blasmusik und internationalen Pop melancholisch vermengte, fast etwas zu einschmeichelnd und zu erfolgreich vor. Damals wusste man noch nichts von kultureller Aneignung, die man dem Musiker heute vielleicht sogar vorwerfen würde. Dabei haben seine Sinti und Roma-Melodien mit der Zeit an Stärke und Merkwürdigkeit gewonnen. Und so präsentieren wir zum ersten Mal seit Entstehen der Band Zach Gordon und "Beirut" mit dem Song "Scenic World" in "druckfrisch". Aus der historischen Distanz hat uns übrigens hauptsächlich die billige Rhythmusmaschine überzeugt.
Sozusagen das Gegenteil dieses musikalischen Kulturtransfers (ein Amerikaner spielt Balkanpolka) liefert das beglückende Stück Musik, mit dem wir diesmal die Sendung beschließen: Ozan Ata Canani kam als Gastarbeierkind nach Deutschland. Seine unvergleichlich schöne Hyme "Alle Menschen dieser Erde" (wollen glücklich sein), mit der er auf Deutsch mit Rhythmen seiner Heimat eine weltweite Utopie besingt, ist – wie die FAZ urteilt – so etwas, was der Blues für die USA bedeutet: eine Musik der ökonomisch Ausgebeuteten in der Sprache ihres Gastlandes. Erschienen ist dieses musikalische Juwel auf der CD "Songs of Gastarbeiter". Wir sind immer sofort glücklich, wenn wir dieses Lied hören.
Andy Ammer
Titel | Interpret |
---|---|
Bullit | Lalo Schifrin |
Vienna | William Fitzsimmons |
Lost | Soap&Skin |
Scenic World | Beirut |
Alle Menschen dieser Erde | Ozan Ata Canani |
Stand: 14.04.2023 13:44 Uhr
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