SENDETERMIN So., 22.05.22 | 23:35 Uhr | Das Erste

"druckfrisch"-Musiker des Monats: Christian Gerhaher

Keine Frage: "druckfrisch" Musiker des Monats Mai 2022 wird der Bariton Christian Gerhaher. Seit Dietrich Fischer-Dieskau hat wohl kein Sänger den Kunstgesang mit solcher Perfektion betrieben. Für "druckfrisch" singt er exklusiv die Elegie "Welke Rose" von Othmar Schoeck, die dieser in den Zwanzigerjahren nach einem Gedicht von Nikolaus Lenau komponiert hat. Eine perfekte Interpretation, die perfekt in unsere blumendurchtränkte Sendung passt. Eine hochkulturelle Ehre.

Begonnen hatte die Mai-Ausgabe ebenfalls elegisch mit dem "Schwan" von Camille Saint-Saens. Eine doppelte Grenzüberschreitung: Denn erstens hatten wir noch nie zwei klassische Stücke in unserer Sendung. Und zweitens haben wir selten solche "Gassenhauer" in der Playlist. Aber da in "druckfrisch" auch musikalisch jederzeit alles passieren kann, musste es diesmal zu Beginn und zum vom Künstlerduo Fischli & Weiss inspirierten Doppelbelichtungs-Blumenbilder-Vorspann etwas Kitsch sein. Kommt so bald nicht mehr vor, versprochen.

Diesen wohligen Eindruck verscheuchen dann natürlich gleich die "druckfrisch"-Lieblinge von "The Kills": Alison Mosshart und Jamie Hince haben ihren stampfenden Brüller "Oh wow" aus dem Jahr 2005 von der Mixer Legende Tschad Blake (dem King of Crunch) noch einmal nach vorne remixen lassen. Der Klangbastler Blake behauptet von sich, dass seine Produktionen "in your face" klingen sollen. Ist ihm gelungen.

Nicht vorbei kamen wir natürlich an der am sehnlichsten erwarteten Musikveröffentlichung des Jahres: der ersten neuen Platte des Pulitzer-Preisträgeres Kendrick Lamar seit fünf Jahren. "Größter Dichter seiner Generation" nannte ihn die "Zeit" (eine Wendung, der unser Moderator vielleicht nicht zustimmen würde). Nur eine Woche nach der digitalen Veröffentlichung wurde das durchaus sperrige Album bereits viele Millionen Mal angehört. Ein Zeichen, dass im Rap – andres als in vielen anderen Kunstsparten – Komplexität und Anspruch durchaus kein Erfolgshindernis sind. Die Welt ist also künstlerisch noch nicht verloren.

Eigentlich eine Buchempfehlung ist dann unser Schlusssong "Il Mondo" von dem ursprünglich als Jazz-Bassisten arbeitenden italienischen Cantautore Jimmy Fontana (eigentlich Enrico Sbriccoli (1934–2013), dessen bekanntester Song das von José Feliciano bekannt gemachte "Che Sarà" ist. Das unfassbar tolle Arrangement zu "Il Mondo", das in 45 Sekunden von zärtlichem Murmeln zu den höchsten weltumspannenden Tönen ausartet, stammt von Ennio Morricone. Jimmy Fontana war nicht nur ein spät der leichten Muse zugewandter Jazzer, sondern auch Waffensammler. Eine seiner Pistolen wurde rätselhafterweise in einem Versteck der "Roten Brigaden" gefunden. Niemand weiß, wie sie dahin kam.

Solche und 99 anderer phantastischer Geschichten über das Abgründige am italienischen Schlager kann man – nicht nur im Urlaub – dem wunderbar intelligenten und amüsanten Buch "Azzurro – mit 100 Songs durch Italien. Ein Reisführer ohne Sehenswürdigkeiten" (KiWi) von Eric Pfeil entnehmen, der 2019 selbst schon mit seiner Band "Die Realität" in "druckfrisch" aufgetreten ist. Danach hört man Schlager anders (und erst einmal nicht anderes).

Von Andy Ammer

TitelInterpret
The SwanHan-Na Chang
No Wow (Tschad Blake Mix)Kills
Welke RoseChristian Gerhaher
Silent HillKendrick Lamarr & Kodak Black
Il MondoJimmy Fontana

Stand: 22.05.2022 18:34 Uhr

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Produktion

Mitteldeutscher Rundfunk
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