So., 22.05.22 | 12:03 Uhr
Das Erste
Presseclub
Zeitenwende im Norden: Finnland und Schweden wollen ihre Neutralität aufgeben und unter das schützende Dach der NATO. Jahrzehntelang galt ihnen die Blockfreiheit als Garant vor russischen Übergriffen, doch der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die politische DNA dieser beiden skandinavischen Länder grundlegend verändert. Die alten Gewissheiten gelten nicht mehr. Die Antwort des Kremls auf den Aufnahmeantrag ließ nicht lange auf sich warten: Erst drehte Russland den Finnen den Strom ab, ab Wochenende soll es auch kein Gas mehr geben. Setzt die NATO-Erweiterung nach Norden eine weitere Eskalationsspirale in Gang? Müssen wir uns auf ein neues Zeitalter der militärischen Aufrüstung auf europäischem Boden einstellen? Oder ist der Beitritt der Finnen und Schweden in Wirklichkeit eine strategische Quittung für Putins Angriffskrieg? Fest steht: Sollte er darauf gehofft haben, die NATO zu schwächen, so hat er sich auf jeden Fall mächtig verkalkuliert. Die NATO ist direkt vor seiner Haustür.
Die NATO-Militärs freuen sich über den Zuwachs der beiden Demokratien mit ihren hochmodernen Armeen. Doch bevor es so weit ist, muss erst einmal das Veto der türkischen Regierung ausgeräumt werden. Bisher wehrt sich die Türkei als einziges Land der 30 NATO-Mitglieder gegen die Aufnahme Finnlands und Schwedens, warum? Offiziell begründet Erdogan das mit der vermeintlichen Unterstützung beider Länder für die kurdische Community. Könnte Erdogan die NATO-Norderweiterung also noch zu Fall bringen? Schon jetzt spielt die Türkei eine ambivalente Rolle im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine, Erdogan trägt die Sanktionen gegen Putin nicht mit. Er will es sich nicht mit ihm verscherzen, auf dessen Unterstützung er im Kampf gegen die Kurden baut. Für die NATO ist die Türkei nach Osten hin ein wichtiger Verbündeter. Wird das Land unter Erdogan ein verlässlicher Partner bleiben?
Darüber diskutiert WDR-Chefredakteurin Ellen Ehni mit den Gästen:
Frederik Pleitgen, CNN Deutschland
Christoph Schiltz, WELT
Anna-Sophie Schneider, Der Spiegel
Alexandra von Nahmen, Deutsche Welle