Mi., 04.07.18 | 23:00 Uhr
Das Erste
Happy End in Berlin: Wie lange hält der Burgfrieden?
Der mit unerbittlicher Härte geführte Machtkampf zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer scheint seit Montagabend beigelegt. Die beiden Parteivorsitzenden holten alte Ideen aus dem Archiv und verkauften sie als neuen Kompromiss im Asylstreit. Beide bleiben im Amt. Der CSU-Chef kassierte seinen bereits angedrohten Rücktritt. Und die SPD soll den Kompromiss nun absegnen. Gibt es jetzt Grund zur Entwarnung und die Große Koalition widmet sich wieder ihrer eigentlichen Aufgabe, dem Regieren, ohne internen Streit?
Peter Altmaier, CDU (Bundeswirtschaftsminister)
Der Merkel-Vertraute ist erleichtert, dass die Union sich geeinigt hat. "Wir haben alles getan, um der CSU Brücken zu bauen", betont der Bundeswirtschaftsminister. Dabei habe viel auf dem Spiel gestanden – "das Ansehen des Landes, die Handlungsfähigkeit und die Regierungsfähigkeit". Der frühere Flüchtlingskoordinator erinnert daran, dass Horst Seehofer als bayerischer Ministerpräsident eine Mitverantwortung für den Regierungskurs im Krisenjahr 2015 trug: "Die Bundesregierung hat ab Mitte September 2015 alle wesentlichen Entscheidungen gemeinsam mit allen 16 Bundesländern getroffen."
Ilse Aigner, CSU (stellv. bayerische Ministerpräsidentin)
"Wir haben einen sehr guten Kompromiss gefunden, auch wenn der Weg dorthin schmerzlich war", bilanziert die bayerische Bau- und Verkehrsministerin. Eine effektive Kontrolle an den Landesgrenzen sei vor allem ein Signal an die Bevölkerung, sagt Ilse Aigner. "Es war der CSU ernst. Das hat jeder gesehen", sagt die stellvertretende Ministerpräsidentin Bayerns, doch gibt sie sich nach den Auseinandersetzungen zuversichtlich, dass die beiden Unionsparteien wieder zueinander finden würden.
Michael Müller, SPD (Regierender Bürgermeister von Berlin)
Der SPD-Vorstand kritisiert den Unionskompromiss im Asylstreit: "Die SPD wird sich mit Transitzentren sehr schwer tun." Man müsse fragen, wie lange die Menschen in diesen Zentren festgehalten würden und mit welchem Ziel. Der CSU wirft der Berliner Regierungschef "unverantwortliches Verhalten" vor. Horst Seehofer habe "einen Popanz" aufgebaut, anstatt sich beispielsweise um die Verbesserung der Abläufe im BAMF oder bessere Integration zu kümmern, so Michael Müller.
Ferdos Forudastan (Innenpolitikchefin "Süddeutsche Zeitung")
Die Journalistin wirft Innenminister Horst Seehofer vor, den Sturz der Kanzlerin billigend in Kauf genommen zu haben: "Hier ging es nicht um die Sache, sondern um Macht." Zwischen CDU und CSU herrsche auch nach der Einigung tiefes Misstrauen: "Das Verhältnis ist völlig zerrüttet, weil kein Respekt mehr voreinander da zu sein scheint", so die Leiterin des Innenpolitik-Ressorts der "Süddeutschen Zeitung". Darunter gelitten habe auch die Glaubwürdigkeit der gesamten Regierung, resümiert Ferdos Forudastan.
Nikolaus Blome (stellv. "Bild"-Chefredakteur)
"CDU und CSU haben sich jetzt auf etwas geeinigt, auf das sie sich schon vor drei Jahren geeinigt hatten. Möglich ist, dass die Lösung funktioniert", meint der stellvertretende "Bild"-Chefredakteur. Sicher aber sei, dass "das Klima in einer Koalition wohl noch nie so vergiftet war wie in dieser". Der Hauptstadtjournalist nennt den zweiwöchigen Streit zwischen Merkel und Seehofer "verantwortungslos" und sieht darin auch ein Zeichen für die schwindende Macht der Kanzlerin.