Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 21.02.2024

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Gabor Steingart, Jagoda Marinić, Claudia Major, Constantin Schreiber, Mary Elise Sarotte
Die Gäste (v.l.n.r.): Gabor Steingart, Jagoda Marinić, Claudia Major, Constantin Schreiber, Mary Elise Sarotte | Bild: WDR / Oliver Ziebe

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Wie viele Bürgergeldempfänger sind von Leistungskürzungen wegen Arbeitsverweigerung betroffen?

Wie viele Bürgergeldempfänger sind von Leistungskürzungen wegen Arbeitsverweigerung betroffen?

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) äußerte sich in der Sendung zu den Plänen, Bürgergeldempfänger, die eine Arbeit ablehnen, künftig härter zu sanktionieren. Offen blieb dabei die Frage, wie viele Menschen diese Sanktionen überhaupt betreffen würden. Wir schauen uns die Zahlen noch einmal genauer an.

Bürgergeld: Wie viele Menschen sind von Leistungskürzungen wegen Arbeitsverweigerung betroffen? | Video verfügbar bis 21.02.2025

Maischberger: "Sie haben ja das Bürgergeld eingeführt, und mit der Einführung ging ja auch einher, dass man Sanktionen in großem Stil erst einmal abgeschafft hat. Jetzt haben Sie im Grunde während der Spardiskussion gesagt, wir werden bestimmte Sanktionen wieder einführen. Und zwar geht es darum, dass Sie sagen, also, wenn jemand wiederholt, mehrfach einen Job nicht annimmt, dann kann für den zwei Monate lang quasi der Bezug auf Null gesetzt werden. Wie viele solcher harten Jobverweigerer gibt’s denn eigentlich?"

Heil: "Sehr wenig."

Maischberger: "Wie viele denn etwa?"

Heil: "Das werden wir in der Praxis sehen. Es gibt darüber keine Statistiken."

Maischberger: "Was schätzen Sie?"

Heil: "Ich will Ihnen aber eins sagen."

Maischberger: "Ganz kurz, was schätzen Sie?"

Heil: "Da bitte ich um Ergänzung, weil in Ihrer Frage eine Prämisse war, die nicht stimmt. Das Bürgergeld war immer etwas, wo es Mitwirkungspflichten und auch Sanktionen gegeben hat."

Maischberger: "Okay."

Heil: "Die Wahrheit ist, und das bringt uns zu dieser Frage, die Allerallermeisten brauchen das überhaupt nicht."

Maischberger: "Ganz genau. Wie viele sind es denn?"

Heil: "Wir werden es sehen. Es ist eine ziemlich kleine Zahl von Menschen aus der Praxis."

Maischberger: "Was glauben Sie denn?"

Heil: "Ich werde nicht irgendwelche Prognosen machen, was das ganze betrifft. Mir sagen die Praktiker, es gibt so hartnäckige Fälle."

Maischberger: "Wie viele etwa?"

Heil: "Das sind nicht sehr viele, lassen Sie es ein paar Tausend sein."

Maischberger: "Sind das ein paar Hundert oder ein paar Tausend?"

Heil: "Lassen Sie es ein paar Tausend sein an dieser Stelle."

Maischberger: "Ein paar Tausend. Also unter 10.000 etwa?"

Heil: "Nein, ich werde jetzt keine Zahlenspielchen machen."

Hintergrund: Wie viele Bürgergeldempfänger sind von Leistungskürzungen wegen Arbeitsverweigerung betroffen?

Mit dem Bürgergeld hat die Ampel-Regierung Anfang 2023 das Hartz-IV-System abgelöst und eine neue Grundsicherung für Erwerbslose geschaffen. Ursprünglich war dabei die Einführung einer sechsmonatigen Schonzeit geplant gewesen, in der die Empfänger des Bürgergeldes im Fall eines Pflichtverstoßes keine Sanktionen hätten befürchten müssen. Doch auf Drängen der Union verzichtete man auf diese Schonzeit und führte ein gestaffeltes Sanktionssystem ein. Während beim ersten Pflichtverstoß mit einer Leistungskürzung von 10 Prozent für einen Monat zu rechnen ist, wird das Bürgergeld beim dritten Pflichtverstoß bereits für maximal drei Monate um 30 Prozent gekürzt. Ein Pflichtverstoß liegt z.B. vor, wenn jemand, der Bürgergeld bezieht, wiederholt eine zumutbare Arbeit ausschlägt.

In einem neuen Gesetzentwurf plant die Bundesregierung nun, die Sanktionen für Jobverweigerer zu verschärfen. Wer eine zumutbare Arbeit wiederholt ablehnt, dem sollen die Bezüge künftig für zwei Monate vollständig entzogen werden können. Lediglich die Unterkunftskosten werden in so einem Fall weitergezahlt, um eine Obdachlosigkeit zu verhindern.

Wie viele Menschen davon aktuell betroffen wären, darüber liegen keine Daten vor. Aussagen lassen sich nur über die vergangenen Jahre treffen. Im Jahr 2022 wurden laut Bundesagentur für Arbeit insgesamt 148.000 Sanktionen ausgesprochen. Der Großteil davon (68,8 Prozent) wurde damit begründet, dass die jeweiligen Leistungsempfänger Termine beim Jobcenter versäumt hatten. Sanktionen wegen der wiederholten Ablehnung eines zumutbaren Jobangebots kamen in 19 Prozent der Fälle vor. In absoluten Zahlen macht das etwa 28.000 Fälle. Bei einer Gesamtzahl von etwa 3,7 Millionen erwerbsfähigen Leistungsbeziehern ergibt sich also ein Anteil von 0,75 Prozent. Zu beachten ist hierbei allerdings, dass im Jahr 2022 von Juli bis Dezember ein Sanktionsmoratorium galt, um die Umstellung auf das neue Bürgergeldsystem zu erleichtern. In dieser Zeit wurden nur noch mehrfache Terminversäumnisse sanktioniert. Dadurch sank die Zahl der Leistungskürzungen im zweiten Halbjahr stark ab.

Ein präziseres Bild zeichnen dagegen die Daten aus dem Jahr 2021. 194.000 Sanktionen wurden in jenem Jahr ausgesprochen, darunter knapp 52.000 wegen der Ablehnung einer Arbeit. Das ergibt einen Anteil von etwa 1,4 Prozent aller erwerbsfähigen Leistungsempfänger. Eine Statistik des Instituts für Arbeits- und Berufsforschung (IAB) bestätigt diese Zahlen.

Wichtig zu wissen: Gezählt werden immer nur die jeweiligen Fälle. Diese sind nicht unbedingt gleichzusetzen mit der Anzahl der sanktionierten Personen. Im denkbaren Fall, dass einzelne Personen im Laufe des Jahres mehrfach sanktioniert wurden, liegt der Gesamtanteil noch unter den oben genannten 1,4 Prozent. Wie viele Personen wiederholt ein Jobangebot abgelehnt haben, ist nicht bekannt.

Insgesamt ist festzustellen, dass die Zahl der Sanktionen, die wegen der Ablehnung von zumutbaren Jobangeboten verhängt werden, seit 2007 kontinuierlich gesunken ist – von 183.430 im Jahr 2007 auf 52.174 im Jahr 2021. Auch die Gesamtanzahl der verhängten Leistungskürzungen ist im selben Zeitraum deutlich gesunken, von 782.996 (2007) auf 193.729 (2021).

Inwiefern sich die Einführung des Bürgergelds auf die Häufigkeit von Leistungsminderungen ausgewirkt hat, lässt sich auf Grundlage der verfügbaren Daten nicht bewerten.

Fazit: Wie viele Menschen aktuell von einer vollständigen Leistungskürzung nach wiederholter Arbeitsverweigerung betroffen wären, darüber liegen keine Daten vor. Die derzeit aufschlussreichsten Zahlen stammen aus dem Jahr 2021. 194.000 Sanktionen wurden in jenem Jahr ausgesprochen, darunter knapp 52.000 wegen der Ablehnung einer Arbeit. Das ergibt einen Anteil von etwa 1,4 Prozent aller erwerbsfähigen Leistungsempfänger. Weil aber in der Statistik immer nur die verhängten Sanktionen gezählt werden, nicht aber die sanktionierten Personen, lässt sich nicht genau sagen, wie viele Personen wiederholt ein Jobangebot abgelehnt haben. Insgesamt ist festzustellen, dass die Zahl der Leistungskürzungen seit 2007 deutlich gesunken ist.

Stand: 22.02.2024

Autor: Tim Berressem