Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 14.02.2024

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Nikolaus Blome, Helene Bubrowski, Urban Priol, Frederik Pleitgen, Karl Lauterbach
Die Gäste (v.l.n.r.): Nikolaus Blome, Helene Bubrowski, Urban Priol, Frederik Pleitgen, Karl Lauterbach | Bild: WDR / Oliver Ziebe

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Was soll sich durch die Krankenhausreform ändern?

Was soll sich durch die Krankenhausreform ändern?

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) äußerte sich in der Sendung zu der von ihm geplanten Krankenhausreform. In Kürze skizzierte er die zentralen Punkte des Vorhabens. Was sich dadurch konkret ändern soll, wollen wir uns hier noch einmal genauer anschauen. 

Umbau des Gesundheitssystems: Was soll die Krankenhausreform bewirken? | Video verfügbar bis 14.02.2025

Maischberger: "Sagen Sie uns doch mal in kurzen und verständlichen Sätzen, was diese Krankenhausreform eigentlich bezwecken soll. Also was ist das Ziel?"

Lauterbach: "Es gibt eigentlich drei Ziele. Zum Einen, die Patienten müssen leichter in die Lage kommen, dass sie in das Krankenhaus für ihre Krankheiten hineinkommen, welches für ihre Krankheit am besten geeignet ist."

Maischberger: "Nummer eins."

Lauterbach: "Das ist Nummer eins. Somit: Der Krebspatient soll dort behandelt werden, wo er die beste Heilungschance durch die Eingriffe hat. Das Zweite ist: Wir haben Krankenhäuser, die von der Insolvenz bedroht werden, die man braucht. Andere, die bleiben am Netz, machen Gewinne, die brauchen wir nicht. Das heißt, wir müssen die Krankenhäuser, die wir brauchen, vor Insolvenz schützen. Wir müssen aber die anderen nicht schützen. Der dritte Punkt ist, wir haben zu viele Krankenhäuser. Wir haben weder den medizinischen Bedarf noch das Personal noch das Geld dafür, die vielen Krankenhäuser, die größte Krankenhausdichte in Europa zu erhalten. Das heißt, wir müssen hier bessere Qualität bringen, die benötigten Krankenhäuser besser absichern, sodass die nicht so stark unter ökonomischem Druck leiden, und wir müssen aber auch abbauen."

Hintergrund: Was soll sich durch die Krankenhausreform ändern?

Bund und Länder haben sich im Juli 2023 in einem Eckpunktepapier auf die drei zentralen Ziele der anstehenden Krankenhausreform verständigt: Entökonomisierung und Entbürokratisierung des Systems, sowie die Sicherung und Steigerung der Behandlungsqualität

Wie soll das System entökonomisiert werden?

Das bisher geltende System der Fallpauschalen soll grundlegend verändert werden. Die Vergütung der Krankenhäuser soll in Zukunft nicht mehr allein von den erbrachten Leistungen, wie z.B. durchgeführten Operationen, abhängen. Stattdessen soll bereits das Angebot von bestimmten Leistungen vergütet werden (Vorhaltepauschale). Diese Vergütung ist unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme der jeweiligen Leistung. Auf diese Weise will man den Anreiz für Krankenhäuser minimieren, allein aus wirtschaftlichen Gründen immer mehr Behandlungen durchzuführen, die aus medizinischer Sicht nicht unbedingt notwendig wären. Komplett abgeschafft werden die Fallpauschalen nicht, sie sollen aber eine deutlich geringere Rolle bei der Vergütung spielen. Während sich die Erlöse der Krankenhäuser bislang zu 80 Prozent aus leistungsbezogenen Fallpauschalen und zu 20 Prozent aus den Pflegekosten zusammensetzten, sollen die leistungsunabhängigen Vorhaltepauschalen inklusive der Pflegekosten künftig ein Volumen von 60 Prozent ausmachen. Der Anteil der Fallpauschalen sinkt damit auf 40 Prozent.

Wie soll das System entbürokratisiert werden?

Dadurch dass die Reform den Fokus von den erbrachten Leistungen auf die im Krankenhaus vorhandenen Strukturen und das Angebot bestimmter Leistungen verlagert, verspricht man sich einen Abbau der Bürokratie. Bisher muss jede einzelne Leistung zu Abrechnungszwecken umfänglich dokumentiert werden. Mit der Reform könnte diese Dokumentation nach Aussagen des Bundesgesundheitsministerium künftig auf struktureller Ebene ansetzen, die einzelnen Fälle könnten also unter den jeweiligen Leistungsangeboten zusammengefasst werden. Das würde weniger Aufwand bei der Dokumentation bedeuten.

Wie soll die Behandlungsqualität gesteigert werden?

Um die Qualität der Behandlungen zu steigern, soll die Versorgung in Zukunft auf wenigere Krankenhäuser konzentriert werden. Das bedeutet, dass nicht mehr alle Krankenhäuser alle Behandlungen anbieten sollen. Der Plan sieht vor, dass die Länder den Krankenhäusern sogenannte Leistungsgruppen zuteilen, sie z.B. als Kardiologie- oder Schlaganfall-Zentrum ausweisen. Dabei sollen bundeseinheitliche Mindestanforderungen an die medizinische Ausstattung und das Personal definiert werden. Die Leistungsgruppen zeigen an, welche Operationen durchgeführt oder welche Krankheiten in den Häusern behandelt werden dürfen. Nur wenn eine bestimmte Qualität gewährleistet ist, sollen die Kliniken dafür Geld bekommen. Gleichzeitig soll es aber auch weiterhin Krankenhäuser geben, die nicht spezialisiert sind, um eine flächendeckende Grundversorgung, besonders im ländlichen Raum, zu gewährleisten. Insgesamt soll die Anzahl der Krankenhäuser in Deutschland durch die Reform gesenkt werden, wie Karl Lauterbach bereits in der Sendung sagte.

Geplant ist außerdem die Einführung eines Transparenzverzeichnisses, das online über das Angebot der Kliniken informieren soll. So soll für alle einsehbar werden, welche medizinische Einrichtung welche Leistungen anbietet. Auch Daten zu Fallzahlen, Personalschlüssel und Komplikationsraten sollen in dem sogenannten Qualitäts-Atlas einsehbar sein.

Welche Kritik an der Reform gibt es?

Kritik kommt u.a. von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Diese veröffentlichte im Januar 2024 eine Studie, wonach sich die Erlössituation der Krankenhäuser durch die Reform nicht grundlegend ändern würde. Der ökonomische Druck auf die Kliniken würde nur unwesentlich abnehmen, so die DKG. Karl Lauterbach kritisierte daraufhin die Studie, die aus seiner Sicht auf einer "veralteten Grundlage" erstellt worden sei.

Auch der Verband Privater Krankenkassen (PKV) äußerte Zweifel an den Reformplänen. Das System der Vorhaltevergütung sei zu komplex und würde die gesteckten Ziele nur eingeschränkt erreichen. Der PKV erkennt zwar an, dass die Reform die bisherigen Anreize zu immer mehr Behandlungen stoppen würde, gleichzeitig befürchtet man aber, dass das System ins genaue Gegenteil umschlagen und also ein Anreiz zur Reduktion der Leistungsmenge die Folge sein könnte. Dies würde sich in einer Unterversorgung der Patienten niederschlagen.

Die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) befürchtet, dass sich die Bundespolitik mit der Reform zunehmend in die Krankenhausplanung einmischen werde, die bislang Ländersache ist. "Eine bayerische Kernforderung lautet: Wir brauchen weiterhin eine hochwertige stationäre Versorgung gerade auch auf dem Land. Dazu gehört, dass die Länder die Hoheit bei der Krankenhausplanung behalten müssen", so Gerlach.

Wann könnte die Reform in Kraft treten?

Einen fertigen Gesetzentwurf gibt es derzeit noch nicht, das Bundesgesundheitsministerium will diesen aber im Laufe dieses Jahres unter Beteiligung der Bundesländer vorlegen. Das Gesetz soll 2024 in Kraft treten. Ab 2026 sollen den Krankenhäusern dann wie geplant die individuellen Vorhaltebudgets ausgezahlt werden. 2027 soll das Finanzierungssystem der Krankenhäuser schließlich komplett umgestellt sein. Für 2029 ist eine Evaluation der Reform vorgesehen.

Dass die gesetzgeberische Umsetzung der Krankenhausreform wohl noch zu kontroversen politischen Auseinandersetzungen führen dürfte, hat die Debatte über die Einführung des oben beschriebenen Transparenzverzeichnisses gezeigt, das als Bestandteil der Krankenhausreform gedacht ist. Nachdem der Bundestag dem entsprechenden Gesetz bereits zugestimmt hatte, stoppte der Bundesrat das Vorhaben im November 2023 vorerst. Die Länderkammer überwies das Gesetz in den Vermittlungsausschuss, eine baldige Einigung erscheint unwahrscheinlich. Einige Länder zeigten sich verärgert darüber, dass das Transparenzgesetz bereits angewendet werden soll, bevor die großangelegte Klinikreform beginnt. Sie befürchten auch eine Rufschädigung der Häuser, die in dem geplanten Qualitäts-Atlas nicht gut wegkommen.

Fazit: Mit der geplanten Krankenhausreform soll vor allem der ökonomische Druck auf die Kliniken sinken. Diese sollen künftig nicht mehr nur für tatsächlich erbrachte Leistungen vergütet werden, sondern überwiegend für das bloße Angebot bestimmter Leistungen. Dies soll durch die sogenannten Vorhaltepauschalen umgesetzt werden, die unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme der jeweiligen Leistung an die Krankenhäuser gezahlt werden. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass allein aus wirtschaftlichen Gründen Behandlungen durchgeführt werden, die aus medizinischer Sicht nicht notwendig sind. Die Reform sieht außerdem eine stärkere Spezialisierung der Kliniken vor, was die Behandlungsqualität steigern soll. Kritik kommt u.a. von Fachverbänden, die das Reformvorhaben für wenig effektiv halten. Ein Gesetzentwurf liegt bislang nicht vor, er soll aber in diesem Jahr erarbeitet und zur Abstimmung gebracht werden.

Stand: 15.02.2024

Autor: Tim Berressem