Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 13.02.2024

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Kristina Dunz, Serap Güler, Stefan Aust, Ralf Stegner, Anja Kohl, Matthias Maurer
Die Gäste (v.l.n.r.): Kristina Dunz, Serap Güler, Stefan Aust, Ralf Stegner, Anja Kohl, Matthias Maurer | Bild: WDR / Oliver Ziebe

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Warum gefährdet Weltraumschrott die Zukunft der Raumfahrt?

Warum gefährdet Weltraumschrott die Zukunft der Raumfahrt?

Mit dem ESA-Astronauten Matthias Maurer sprach Sandra Maischberger u.a. über die aktuellen und zukünftigen Entwicklungen in der Raumfahrt. Maurer erklärte in diesem Zusammenhang, dass sogenannter Weltraumschrott den Zugang ins All künftig deutlich behindern könnte. Warum das so ist, schauen wir uns hier noch einmal näher an.

Schrott im Weltall: Wann wird er zur Gefahr für die Raumfahrt?

Maischberger: "Es gibt diese Animation über Weltraumschrott, das ist eine Animation der ESA. Wenn Sie uns mal erklären, was wir da jetzt sehen, das wäre ganz schön, weil es ist für Leute, die das nicht wissen."

Maurer: "Ja, also wir sehen hier die Erde, und um die Erde herum fliegen viele, viele Teilchen unterschiedlicher Größe. Die allermeisten sind wirklich sehr klein, das sind dann millionenfache Teilchen. Und wenn diese Teilchen zusammenstoßen, dann erzeugen die sozusagen neuen Weltraumschrott. Und irgendwann entsteht ein Lawineneffekt, den wir dann nicht mehr kontrollieren können, und dann hätten wir den Zugang zum All sozusagen verloren."

Hintergrund: Warum gefährdet Weltraumschrott die Zukunft der Raumfahrt?

Als Weltraumschrott werden sämtliche von Menschen produzierte Objekte bezeichnet, die sich ohne Funktion in einer Erdumlaufbahn befinden. Das können z.B. alte Satelliten, abgesprengte Raketenstufen oder auch Werkzeuge sein. 

Seit 1957, als mit dem sowjetischen Satelliten Sputnik das erste von Menschen gebaute Objekt in eine Erdumlaufbahn befördert wurde, ist die Menge an Weltraumschrott stetig gewachsen. Nach Angaben des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) umkreisen derzeit etwa 29.000 Objekte von mindestens zehn Zentimetern Größe die Erde. Diese Teile sind offiziell katalogisiert und werden routinemäßig durch ein Netzwerk von Radaranlagen und Teleskopen beobachtet. Darüber hinaus schätzen Wissenschaftler, dass sich insgesamt etwa eine Million Teile, die größer als ein Zentimeter sind, sowie 330 Millionen Teilchen mit einer Größe von über einem Millimeter in der Erdumlaufbahn befinden.

Der Weltraummüll, der in der Fachsprache auch als space debris oder orbital debris bezeichnet wird, sammelt sich vor allem in den niedrigen und hohen Umlaufbahnen, wo er schon jetzt gelegentlich zum gefährlichen Hindernis für die Raumfahrt wird. Weil im Orbit hohe Geschwindigkeiten von mehreren Kilometern pro Sekunde erreicht werden, können selbst kleine Gegenstände großen Schaden anrichten.

Im Februar 2009 kam es zu einer spektakulären Kollision zwischen dem amerikanischen Kommunikationssatelliten Iridium 33 und dem russischen Aufklärungssatelliten Kosmos 2251. Die Aufprallgeschwindigkeit lag bei fast zwölf Kilometern pro Sekunde, die beim Zusammenstoß freigesetzte Energie entsprach ungefähr zehn Tonnen TNT-Sprengstoff. Von den Trümmern hatten schätzungsweise 100.000 Teile eine Größe von einem Zentimeter oder mehr. Expertenberechnungen zufolge werden die Bruchstücke rund 100 Jahre um die Erde kreisen, bevor sie in der Atmosphäre verglühen. 

Auch die Internationale Raumstation ISS muss regelmäßig Ausweichmanöver fliegen, um näherkommenden Objekten auszuweichen. Das Risiko von Kollisionen gilt allgemein aber noch als eher gering. Experten weisen jedoch darauf hin, dass die Menge an Weltraumschrott in Zukunft deutlich verringert werden müsse, um das Risiko klein zu halten. Internationale Gremien, wie der Ausschuss für die friedliche Nutzung des Weltraums der Vereinten Nationen (UNCOPUOS) oder das Inter-Agency Space Debris Coordination Committee (IADC), setzen sich für die Vermeidung von Weltraumschrott ein. So hat das IADC, dem zahlreiche Raumfahrtagenturen wie NASA oder ESA angehören, eine Reihe von Richtlinien erarbeitet, die der Vermüllung des Alls entgegenwirken sollen. Demnach sollen Raumfahrzeuge während ihrer Missionen möglichst wenig Abfall abwerfen. Zum Beispiel werden Abdeckklappen, Adapter und Sprengbolzen nicht mehr einfach abgetrennt. Auch sollen Raumfahrzeuge nach abgeschlossener Mission nicht mehr – wie früher üblich – zur Explosion gebracht werden. Ausgediente Satelliten sollen zudem auf eine sogenannte "Friedhofsbahn" gebracht werden, wo sie für andere Raumfahrzeuge keine Gefahr darstellen.

Durch diese Maßnahmen zur Müllvermeidung soll verhindert werden, dass es zu einer Kettenreaktion kommt, wie sie Matthias Maurer in der Sendung skizzierte. Der Grundgedanke: Je dichter der Weltraum von umherfliegenden Schrottteilen durchsetzt ist, desto wahrscheinlicher werden Kollisionen, die dann wiederum neuen Schrott verursachen. Wenn z.B. zwei Satelliten kollidieren, stoßen deren Fragmente mit anderen Satelliten zusammen und produzieren noch mehr Bruchstücke. Schließlich stoßen diese Bruchstücke mit weiteren Bruchstücken zusammen und die Situation gerät zunehmend außer Kontrolle. Diese Entwicklung wird in der Wissenschaft als Kessler-Effekt bezeichnet. Die Raumfahrt würde in diesem Szenario massiv beeinträchtigt werden.

In Zukunft wollen Forscher deshalb nicht nur neuen Müll vermeiden, sondern auch bereits durchs All fliegenden Schrott beseitigen. Das DLR arbeitet etwa an einer Methode, die Fluggeschwindigkeit der Objekte mittels Laser so weit zu verringern, dass sie in die Erdatmosphäre sinken und dort verglühen. Derart starke Laser bräuchten allerdings sehr viel Energie. Eine weitere Idee besteht darin, den Schrott von einem Satelliten aus per Greifarm einsammeln und dann in der Erdatmosphäre verglühen zu lassen. Auf diese Weise möchte die ESA im Rahmen ihrer Mission ClearSpace-1 erstmals ein Stück Weltraummüll wieder entsorgen. Der Start der Mission ist frühestens für 2026 geplant. 

Fazit: Die Menge des Mülls, den die Menschen seit Beginn der Raumfahrt im All hinterlassen haben, ist im Laufe der Jahrzehnte stark gestiegen. Schon heute sorgt dieser Weltraumschrott dafür, dass z.B. die Internationale Raumstation ISS regelmäßig Ausweichmanöver fliegen muss, um etwaige Kollisionen zu vermeiden. Forscher fürchten, dass ein weiterer Anstieg der Müllmengen in Zukunft zu einer Kettenreaktion führen könnte, die weiteren Schrott verursachen und die Raumfahrt erheblich behindern würde. Aus diesem Grund wird an Methoden geforscht, neu anfallenden Müll zu verhindern und bereits vorhandenen Schrott aus dem All zu entfernen.

Stand: 14.02.2024

Autor: Tim Berressem