Mo., 21.02.22 | 23:35 Uhr
Das Erste
Interrail. Die beste Reise meines Lebens
Geschichte im Ersten
Am 1. März 2022 feiert eine Erfindung ihren 50. Geburtstag, die Eltern schlaflose Nächte bescherte und ihren Kindern das Tor nach Europa in eine unbekannte Welt öffnete: das Interrail-Ticket. Einen Monat lang mit dem Zug durch 21 Länder fahren können – egal wohin, egal wie weit! Für die allermeisten ein Gefühl von Freiheit, Abenteuer und ein Hauch von Völkerverständigung.
Bernd Baumhold aus Bochum war gleich im ersten Jahr dabei. "Wir waren Hippies", sagt sein Freund Vasilios Liolios. "Aber in Griechenland hießen wir nur die Yeahyeahis, nach dem berühmten Beatles-Album von 1964, "Yeah! Yeah! Yeah! – A Hard Day‘s Night." Am Ende ihrer Interrail-Reise wird Vasilios von griechischen Militärs verhaftet, denn 1972 war Griechenland noch Diktatur und der junge Deutsch-Grieche sollte seinen Militärdienst im Süden leisten. Sein Ende einer abenteuerlichen Zugreise.
Interrail: "Gefühl von Freiheit"
Michael Achilles aus Ludwigsburg zog erst zwei Jahrzehnte später los. Da sind er und seine Freunde gerade mal 15 Jahre alt. Diktaturen gab es in Südeuropa zwar nicht mehr, aber sehr dunkle Nächte am Strand, Taschendiebe, den ersten Joint, die erste Freundin. Geblieben ist für ihn bis heute "dieses Gefühl von Freiheit, wenn ich das Geräusch von Bahnschienen höre, dieses Tamtam-Tamtam".
Das DDR-Pendant zu Interrail hieß Jugendtourist. Es war von der FDJ organisiert und nicht halb so wild. Aber auch da gab es einen "Schnellkurs im Erwachsenwerden", wie es Robert Conrad im Rückblick nennt. Nur durch Zufall kam der Fotograf 1985 mit seinem Freund Thomas Frick zum begehrten Jugendtourist-Programm. Eigentlich war die Reise eine Belohnung für Fricks Freundin gewesen, die Stasi-Spitzel war. Doch die wurde krank und so durfte Conrad nachrücken – der Beginn eines wilden Abenteuers in der Sowjetunion.
Für seine Dokumentation "Interrail" trifft Autor Hauke Wendler Interrailer, die heute oft graue Haare haben und ein durchaus geordnetes Leben führen. Gemeinsam mit ihnen begibt er sich auf eine spannende und sehr unterhaltsame Reise. Es geht um wochenlanges Leben aus dem Rucksack, Tütensuppen und Schlafplätze auf Bahnhöfen, im Gang des Nachtzuges oder an Feldhecken. Manche Nacht endete abrupt und mit einem trockenen Satz: "Verschwindet aus meinem Garten." Für sie alle jedoch bleibt die Interrailzeit vor allem eins: "Die beste Reise meines Lebens!" So sieht es auch Jeannette Eikenberg bis heute. 1992 zog sie mit ihrer Schwester los, kurz nach der Wende. Zuvor versuchte ihre Mutter sie mit Bestechungsversuchen – einer Reise nach Amerika – davon abzuhalten. Vergeblich.
Diese Sendung ist nach der Ausstrahlung zwölf Monate lang in der ARD Mediathek verfügbar.
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