SENDETERMIN Mo., 16.09.24 | 23:35 Uhr | Das Erste

Das vergessene Fotoalbum der SS

Es ist mehr als 80 Jahre alt, zerschlissen, die Seiten locker. Ein Fotoalbum. "SS-Erinnerungen" steht auf dem Einband. Darin finden sich 206 Fotos, fast ausschließlich mit Männern. Das Album war viele Jahrzehnte verschollen. Die Fotos wurden noch nie veröffentlicht. In diesem Film werden sie exklusiv gezeigt.

Der Historiker Dr. Stefan Hördler hat es entdeckt. Er ist erfolgreicher Buchautor, analysiert seit mehr als 20 Jahren Fotos der NS-Zeit und tritt als Gutachter in Straf-Prozessen gegen Menschen auf, die im NS-System tätig waren. Was ihn auszeichnet: Er kennt die Gesichter und Biografien tausender SS-Leute, kann sie selbst Jahre später und in anderen Zusammenhängen auf Fotos wiedererkennen. Eine KI kann das nicht leisten, denn viele der Männer sind als Täter öffentlich nicht bekannt oder in Datenbanken erfasst.

Etwa die Hälfte der Fotos ist im KZ Lichtenburg aufgenommen, das von 1933 bis 1937 als KZ für Männer diente. Die Bilder sind kaum beschriftet oder datiert, es gibt keine Ortsangaben. Wer sind die Männer darauf? Was ist ihre Geschichte? Dr. Stefan Hördler kann die scheinbar banalen Fotos dechiffrieren. Sie offenbaren erstaunliche Biografien von Männern. Zu sehen sind SS-Führer, die später hohe Posten im KZ-System bekommen – damit über Leben und Tod entscheiden. Sogar zwei Männer, die in Auschwitz Kommandant werden, sind zu finden. Alle stehen am Anfang der Karriere, sind mitten in der Ausbildung des mörderischen Handwerks. Die Männer bilden Seilschaften, die das Grauen in Europa verteilen, ein mitteldeutsches Netzwerk der SS, das das KZ-System prägt: 16 Männer, die einmal im KZ Lichtenburg tätig waren, sind später Kommandanten eines Konzentrationslagers.

Stefan Hördlers Augenmerk fällt aber auch auf Männer, die keine hohen SS-Ränge hatten und doch unverzichtbar waren, in Positionen, die als "mittleres Management" des KZ-Systems gelten: Wachmannschaften, Häftlingskompanieführer, Blockführer, Arbeitsdienstführer. Im Album sieht man sie lächelnd, Fußball spielend, stolz posierend. Einer von ihnen ist Kurt Erich Schreiber aus der Nähe von Leipzig. Ein Mann, der sich schon Mitte 1932 der SS anschließt. Er arbeitet bis Kriegsende in verschiedenen Konzentrationslagern. Die Fotos zeigen auf einzigartige Weise seinen Werdegang. Stefan Hördler recherchiert akribisch mehr als sechs Jahre, immer geleitet von der Frage, warum die Männer zu Mördern wurden.

Der "ARD History"-Film "Das vergessene Fotoalbum der SS" dokumentiert exklusiv diese Puzzle-Arbeit und zeigt erschreckend aktuell, wie scheinbar ganz normale junge Männer zu grausamen Mördern werden.

0 Bewertungen
Kommentare
Bewerten

Kommentare

Kommentar hinzufügen

Bitte beachten: Kommentare erscheinen nicht sofort, sondern werden innerhalb von 24 Stunden durch die Redaktion freigeschaltet. Es dürfen keine externen Links, Adressen oder Telefonnummern veröffentlicht werden. Bitte vermeiden Sie aus Datenschutzgründen, Ihre E-Mail-Adresse anzugeben. Fragen zu den Inhalten der Sendung, zur Mediathek oder Wiederholungsterminen richten Sie bitte direkt über das Kontaktformular an die ARD-Zuschauerredaktion: https://hilfe.ard.de/kontakt/. Vielen Dank!

*
*

* Pflichtfeld (bitte geben Sie aus Datenschutzgründen hier nicht Ihre Mailadresse oder Ähnliches ein)

Kommentar abschicken

Ihr Kommentar konnte aus technischen Gründen leider nicht entgegengenommen werden

Kommentar erfolgreich abgegeben. Dieser wird so bald wie möglich geprüft und danach veröffentlicht. Es gelten die Nutzungsbedingungen von DasErste.de.

Sendetermin

Mo., 16.09.24 | 23:35 Uhr
Das Erste

Produktion

Mitteldeutscher Rundfunk
Bayerischer Rundfunk
für
DasErste